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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Sie etwas aus dem Fenster gerufen: 4711. Nicht wahr? Das hat uns die vielgeschmähte Frau Sternberg berichtet. Darum auch glaubte Gemini an eine Entführung. Wegen der geheimen Rezeptur. Und weil Carl so eine Art Kartäuser ist.«
    »Blödsinn!« stieß Smolek hervor. »Ich habe das nur gesagt, damit Gemini, falls sie mit diesem Fellini-Weib sprechen würde, gleich wüßte, daß alles seine Ordnung hat und bei wem sich Carl befindet. Ich wollte meinen Namen heraushalten, natürlich. Was hätte ich denn sagen sollen: Smolek was here? Darum die Erwähnung von 4711. Nur Gemini konnte wissen, was das bedeutet.«
    »Wußte sie ja auch«, sagte Cheng. »Aber sie hat es anders interpretiert.«
    »Dafür kann ich nichts«, erklärte Smolek gequält.
    Cheng zündete sich eine Zigarette an. Über ihm, draußen auf der Straße, tobte ein Taxifahrer.
    »Die Norweger«, sagte Cheng, »halten Sie für tot.«
    »Jeder tut das.«
    »Auch Ihre Schwester?«
    »Haben Sie vergessen, daß Lilith vor dem Kino auf mich gewartet hat?«
    »Richtig. Übrigens fällt mir ein, daß ich Sie fragen wollte, weshalb Thanhouser und ein Herr Seeliger sterben mußten.«
    » Herr Seeliger?« wunderte sich Smolek.
    »Ja«, sagte Cheng, »die Frau war ein Mann.«
    »Na, was soll’s«, gab sich Smolek großzügig. »Die beiden starben aus demselben Grund wie mein Stellvertreter. Sie wurden frech und hochmütig und unverschämt. Sie haben Lilith zu erpressen versucht. Und dachten wohl, sie befänden sich in Sicherheit. Nun, ich habe die Angelegenheit raschest in die Hand genommen. Rasch mußte es auch gehen. Wenn man einmal beginnt, sich von solchen Gestalten terrorisieren zu lassen …«
    »Viel Zeit hatten Sie wirklich nicht.«
    »Ich war bei meiner Schwester, als Thanhouser anrief. Danach mußte nicht viel überlegt werden. Ich habe mich ins Auto gesetzt und bin hinaus nach Liesing. Jetzt, wo ich offiziell tot bin, erlaube ich mir erst recht die Obszönität, gewisse Probleme eigenhändig zu lösen. Eigenhändig und ad hoc. Hat auch etwas. Beinahe schade, daß mein Nichtexistieren bald ein Ende haben wird. Denn auf Ihr Schweigen, Herr Cheng, darf ich wohl nicht rechnen.«
    »Nicht unbedingt.«
    »Egal. Es wäre so oder so herausgekommen. Wie gesagt, allein wegen der Blutgruppe und ein paar anderer Details. Auch meine Frau träumt nicht ewig.«
    »Weshalb«, fragte Cheng, »sind Sie eigentlich hier unten?«
    »Ein guter Platz, um nachzudenken. Etwa darüber, welche Bedeutung diese drei Katzen hier haben könnten. Zudem kann ich schwerlich in meinem Stammkaffee sitzen, nicht wahr?«
    »Natürlich nicht«, sagte Cheng und sah auf die Uhr.
    »Sie sind spät dran, richtig?« grinste Smolek, wie Steinfiguren auf Häuserfassaden zu grinsen pflegen. Steinern, aber auch irgendwie lebendig. Gruselig jedenfalls.
    »Ja, ich muß gehen«, sagte Cheng, während er gleichzeitig daran dachte, augenblicklich Straka zu informieren, daß Smolek noch am Leben war und wo man ihn finden konnte.
    »Haben Sie ein Handy?« fragte Cheng sein Gegenüber.
    »Wozu?«
    »Um die Polizei zu rufen.«
    »Brillante Idee«, äußerte Smolek, erklärte aber, Handys nicht zu mögen. Es sehe einfach lächerlich aus, sich auf der Straße ein Telefon ans Ohr zu halten. Früher hätte man das für einen Witz gehalten.
    »Zwei Handyhasser auf drei Quadratmeter«, sagte Cheng und wölbte anerkennend die Lippen. Dann fragte er: »Welche Rolle spielt eigentlich Magda Gude?«
    »Frau Gude ist eine brave Frau, die Völker zusammenbringt«, sagte Smolek. Mehr sagte er nicht.
    Bevor Cheng nun endlich ging, bat er Smolek, die Katzen zu verschonen.
    »Wofür halten Sie mich?« ärgerte sich Smolek. »Für ein Monster?«
    Cheng ging ohne zu antworten.
     
    »Wofür halten Sie sich?« fragte der wartende Taxifahrer, der neben seinem Wagen stand und dessen hochroter Kopf jenen Glanz frisch gefangener Schalentiere besaß. Seine Augen wiesen übrigens einen Schnitt auf, der stark an jenen Chengs erinnerte. Ein Chinese. Optisch gesehen. Denn wie im Falle des Detektivs, besaß auch die Sprache des Taxifahrers kein noch so geringes Partikel eines fernöstlichen Klangs.
    Die beiden Männer standen sich gegenüber wie Nesttiere, die keinesfalls aus dem gleichen Nest stammen wollten. Taten sie auch nicht. Cheng war in Kagran, später dann in der Nähe des Stadtparks aufgewachsen, der Fahrer hingegen kam aus Simmering. Zwischen ihnen lagen also Nestwelten.
    »Sie hätten nicht warten müssen«, meinte Cheng kühl

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