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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Arbeitszimmern, in all diesen Verliesen des Alltags zuträgt. Das Verbrechen als etwas Schleichendes, das auf Zehenspitzen daherkommt, von keinem Nachbarn gehört, nicht zuletzt, weil die meisten Nachbarn mit den eigenen Zehenspitzen beschäftigt sind. Zumindest damit, sich die Wirklichkeit anders vorzustellen, als sie ist. Blumiger. Der Blick vieler Menschen ähnelt der Sprache der Autoren.
     
    Ich bin Ärztin. Zumindest gelernte Ärztin. Ich kenne den menschlichen Körper ganz gut. Ich kenne dieses ziemlich perfekte Gedärm, kenne die Maschine aus Fleisch, die da in einem blutigen Saft kocht. Und ich kenne die Psyche. Soweit man ein Ding kennen kann, von dem man nur den Schwanz zu sehen bekommt, weil es stets um die Ecke huscht und dabei ruft:
    »Scheißpsychologie!«
    Dieser eingeengten Sichtweise, dieser bloßen Schwanzkenntnis wegen, glaubte ich lange, daß die Unterscheidung zwischen Gut und Böse in solcher Eindeutigkeit nicht getroffen werden könne. Nicht angesichts der Unklarheiten, die in Hinblick auf ein Dasein bestehen, das im eigenen Unterbewußtsein wie in einer Dampfkammer nistet. Man sieht nicht viel, infolge Dampfes, logischerweise. Und schwitzt auch noch. Der Dampf macht einen also blind und naß und ein wenig unschuldig. Einen jeden von uns. Dachte ich.
    Aber das ist Unsinn. Das habe ich begriffen. Es gibt das Gute, weil das Böse besteht. Das Gute ergibt sich aus der Entscheidung gegen das Böse. Die Sache ist ganz einfach und gilt für ein jedes Leben, gleich, ob jemand ein Held ist oder nicht. Die Entscheidung fällt auf dem jeweiligen Niveau. Wenn man ein Held ist, kann man ein guter oder ein böser Held sein. Wenn man ein Angsthase ist, ebenso. Man kann ein guter oder böser Angsthase sein. Und nichts dazwischen. Ein böser Angsthase beteiligt sich an den Verbrechen der Mächtigen, um nicht aufzufallen. Ein guter Angsthase aber flüchtet. Er läuft lieber dreimal um die Welt oder versteckt sich in einem erloschenen Vulkankegel, nur um den Forderungen nach Anpassung auszuweichen. Er wird nie ein Held sein. Muß er auch nicht. Man stelle sich eine Welt voll von guten Angsthasen vor. Paradiesisch.
    Das Relativieren der Begriffe »gut« und »böse«, das so typisch für den intellektuellen Charakter ist, für all die dialektischen Besserwisser, birgt einen großen Betrug. Man meint nämlich, sich auf die Position des Beobachters zurückziehen zu können. Das ist aber ein Irrtum. Es gibt Kriege, an denen ein jeder teilnehmen muß. Wer glaubt, sich herausreden zu können, steht schon auf der falschen Seite. Denn das Relativieren ist ganz eindeutig eine Domäne des Bösen. Es zeigt sich etwa darin, jemand mitten ins Gesicht zu schlagen, um sodann eine Diskussion zu entfachen, die daran rüttelt, ob dieser Schlag wirklich erfolgt sei. Wie sicher ist das denn? wird gefragt. Einem gebrochenen Nasenbein zum Trotz. Für gebrochene Nasenbeine bieten sich tausend andere Gründe an als ein Schlag mitten ins Gesicht. Eben fuhr eine Straßenbahn vorbei. Eben bogst du knapp um eine Häuserkante, viel zu knapp …
    Das Böse ist ständig damit beschäftigt, die Wahrnehmung der Opfer in Frage zu stellen. Das ist sein Clou.
    Um jetzt nur ja kein Mißverständnis zu verursachen, muß ich festhalten, daß das Böse eben nicht allein aus ein paar perversen Schweinen, ein paar Sadisten, ein paar enthemmten Waffenträgern besteht. Wenn’s nur so wäre, hätte der Spruch von wegen alle an die Wand zu stellen, sogar seine Berechtigung. Nein, so geht das leider nicht. Man kann nicht die halbe Welt an die Wand stellen. Oder achtzig Prozent. Aber um den Krieg wiederum kommt man nicht herum. Auch darum nicht, sich für eine Seite zu entscheiden. Und mitunter die Fronten zu wechseln.
    Ich habe sie gewechselt. Ich weiß jetzt, wo ich stehen muß. Und ich weiß, daß die Zeit der Ausreden vorbei ist. Es gibt nicht nur kein richtiges Leben im falschen, es gibt auch kein gutes im bösen.
     
    Die Sache begann ein wenig wie in diesem Film Das Fenster zum Hof. Nun, ich hatte zwar kein Gipsbein. So wenig wie ich durch das Objektiv einer Kamera lugte. Auch war da niemand, der mich bemutterte. Woran ich freilich selbst schuld war. Ich schlug sämtliche Bemutterungsversuche guter Freunde aus. Während wiederum mein Mann meistens spät nach Hause kam. Wenn er sich nicht ohnehin auswärts befand. Als Diplomat war er ein Meister des Reisens. Ich fragte mich oft, warum ein Botschafter in Kopenhagen so selten in Kopenhagen war.
    Doch

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