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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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worden war und in die sich ein paar reiche Künstler eingenistet hatten. Zumindest Leute mit Geld, die gerne halbnackt durch riesige Lofts spazierten, selbstverständlich auf die Geschmacklosigkeit von Vorhängen verzichtend. Man sah diese Leute ständig durch ihre Zimmer wie auf Laufbahnen marschieren. Weingläser und Handys haltend, mitunter einen Pinsel, das aber selten. Es waren wohl keine Künstler im traditionellen Sinn. Eher Leute, die mit Tokio telefonierten.
    Das klingt, als wäre ich unmodern. Bin ich nicht. Ich gehöre auch zu denen, die immer wieder mal mit Tokio telefonieren. Und bin nicht selten nackt dabei. Allerdings posiere ich in solchen Momenten nicht am Fenster, wie diese jungen, reichen Leute auf der Gegenseite, deren Zurschaustellung im Widerspruch stand zu all ihren Heimlichkeiten. Auch Lofts haben Türen, versteht sich.
    Es muß nun gesagt werden, daß ich als eine Dame der Gesellschaft gelte, wie man so sagt. Als eine Person, die ein gewisses öffentliches Interesse erweckt. Wenn ich ein Kleid trage, das meinen Busen größer erscheinen läßt, ruft die Presse an und fragt höflich nach, ob ich mich hätte operieren lassen. Wenn ich dann verneine, geben die auch gleich wieder Ruhe. Man kann diese Leute lenken. Drehen sie durch und verzapfen Blödsinn, so ist man meistens selbst schuld. Wenn jemand absichtlich auf eine Giftschlange steigt, wer ist dann der Idiot? Die Giftschlange?
    Ich kann also ganz gut mit meiner Prominenz leben, die ja im Rahmen bleibt. Als Leiterin der Norwegischen Literaturgesellschaft und einiger dänischer Debattierclubs gehöre ich nicht zu denen, die täglich im Fernsehen stehen wie andere unter der Dusche. Aber in vernünftigen Abständen sage ich etwas halbwegs Gescheites oder Nettes oder provoziere ein klein wenig, indem ich die Unbildung oder auch nur stillose Kleidung einiger hoher Herren beklage. Wobei ich nie etwas gegen die Königshäuser sage. Das geht einfach nicht. Man muß sich da zurückhalten, auch wenn es sich hier um widerliche und dumme Leute handelt. Aber Monarchen muß man respektieren oder ihnen die Köpfe abschneiden. Wenn man letzteres nicht schafft, bleibt nur noch, den Mund zu halten.
    Ich bin einundfünfzig. Das ist ein schlechtes Alter. Vor allem für Frauen, weil sie genau in diesem Alter anfangen, alt zu werden, es aber neuerdings nicht mehr dürfen. Mit fünfzig, heißt es, wird man erst so richtig schön. Was für ein Quatsch! In Wirklichkeit geht es endgültig bergab. Aber man ist nun mal gezwungen, diesen Abstieg zu vergolden, ihn wie ein flottes Aufbäumen erscheinen zu lassen. Topfit zu sein, toplustig und topgebildet und topmodisch, und stets wie eine süße Rauchbombe duftend, wo man doch eigentlich ans Sterben denkt, und daran, wie lange das alles noch dauert. Am schlimmsten aber ist, daß man gezwungen ist, sich »sexualisiert« zu geben, leicht entzündbar, erotisch wie noch nie, langbeinig mit auch noch so kurzen, dicken Pflöcken, empfänglich für den großen Fick. Als wüßte man es nicht besser. Als hätte man nicht gerade das Leben so ziemlich hinter sich. Somit auch eine Menge Männer, die ja nicht alle lausige Liebhaber gewesen sein müssen. Aber eigentlich schon. Man kennt sich also bestens aus. Soll jedoch so tun, als bestünde da eine Chance. Eine Chance auf irgend etwas Großes, das man erreicht, wenn man nur genügend tolle Kleider trägt, erst recht famose Unterwäsche, und fünf französische Philosophen akzentfrei in einem Zug aufsagen kann.
    Ich behaupte nicht, daß fünfzigjährige Frauen, erfolgreich und schick, Leiterinnen von allem möglichen, dämliche Puten sind, die sich auf das Aufsagen von französischen Philosophen beschränken. Nein, sie schaffen es sogar, mit kurzen Pflöcken langbeinig auszusehen. Ich bin eine von ihnen. Manchmal die schlimmste von allen. Aber ich bin aufgewacht. Ich spiele nur noch mit, weil das notwendig ist. Mitzuspielen. In die Kamera zu lächeln, wie ein verbeulter Kochtopf, der sich für das Eßgeschirr von Supergirl hält.
     
    Von meinem Fenster im vierten Stock konnte ich die gesamte Front jenes südländisch weißen, gepudert wirkenden Lofthauses erkennen. Weit schwerer war es da, das Gesicht eines vorbeiziehenden Joggers auszumachen. Weshalb ich zu meinem Opernglas, später dann zum Feldstecher meines Mannes griff. Einar war hin und wieder verpflichtet, zur Jagd zu gehen. Nicht, daß ihm das gefiel. »Wozu auf Tiere schießen?« fragte er dann. »Tiere sind keine Gegner.

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