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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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selbst nicht traute. Im Grunde eine gute Idee. Auch war die Sache so geheim, daß Dalgard getrost darüber reden konnte. Er selbst hatte kaum das Gefühl, zu existieren. Darum wohl auch die Ruhe, mit der er jetzt erklärte: »Nicht hetzen.«
    Ich erinnerte ihn, daß wir kaum mehr als eine halbe Stunde Zeit haben würden. Länger wäre zu riskant.
    Dalgard nickte, und wir gingen nach drüben. Alles verlief reibungslos. Keine Alarmanlage sprang an und kein Hund uns entgegen. Wir traten vor jene dritte Türe hin, jenes unverrückbare Hütchen, das wie gehabt verschlossen war. Fast war ich erleichtert. Eine offene Türe hätte mich als hysterische Kuh dastehen lassen. Als die ich nicht gelten mochte. Nicht vor einem Mann, der mir ein klein wenig gefiel.
    Dieser Mann betrachtete das Schloß, ohne es zunächst zu berühren. Ohne auch nur nach der Klinke zu greifen.
    »Ein harter Brocken«, sagte er. »So was kriegt man nicht auf, indem man eine Kreditkarte oder einen Haufen alter Schlüssel aus der Tasche zieht. Oder die Haarspange seiner Freundin.«
    »Sondern?« fragte ich.
    »Ich nehme doch an«, erkundigte sich Dalgard, »die Sache soll unter uns bleiben. Und ohne Spuren auskommen.«
    »Besser wär’s schon.«
    »Hm.« Dalgard griff sich in den Nacken, als schlage er nach einer Mücke. Quasi mit dem Verdrehen des Kopfes fiel sein Blick auf einen Schalter neben dem Türstock. Er legte seinen Finger zögerlich darauf, dann drückte er. Nichts geschah. Vor allem sprang kein Licht an. Wohl auch im Inneren des Zimmers nicht, da ja der Schein zumindest vage durch den Glasstein der Türe hätte dringen müssen. Wenigstens ein schwacher Schimmer. Nichts davon.
    »Siehe da!« tönte Dalgard mit der Stimme seiner überbreiten Brust und zog die Abdeckung des vermeintlichen Schalters herab. Dahinter eröffnete sich zwar der Anblick einer technischen Einrichtung, aber nicht ganz von der Art, wie man das von einer simplen elektrischen Leitung gewohnt war.
    »Nicht schlecht«, meinte Dalgard. »Eine Bombe.«
    »Was für eine Bombe?« fragte ich.
    »Na ja, man muß wohl den Schalter betätigen, bevor man den Schlüssel ins Schloß schiebt. Tut man das nicht, nützt auch der richtige Schlüssel nichts.«
    »Und was wäre passiert?«
    »Wie ich sagte, eine Bombe. Ein Stromstoß vom Feinsten. Mit Sicherheit tödlich.«
    »Was? Das sehen Sie?«
    »Das vermute ich«, sagte Dalgard und führte seinen Schraubenzieher tiefer in das Innere des Gemäuers. Er werkelte herum. Stöhnte. Ich fragte nicht nach, was genau er da tat. Es sah ziemlich professionell aus. Sehr männlich und agentenhaft.
    In Übereinstimmung mit diesem Eindruck ertönte plötzlich ein leises Surren. Daneben auch ein Ton wie eine Stimme. Eine Stimme aus der Wand. Aber das war wohl Einbildung. Jedenfalls sprang die Türe auf, bildete einen schmalen Spalt und ließ sich nun vollständig zur Seite drücken.
    »Ich gehe vor«, sagte Dalgard und trat in das Dunkel.
    »Von mir aus«, gab ich zurück, blieb aber dicht hinter ihm. Ich wollte sehen, was zu sehen war.
    Was hatte ich erwartet? Ernsthaft erwartet. Am ehesten wohl eine Folterkammer. Oder ein zweites Schlafzimmer mit einer bizarren Bettstatt. Im schlimmsten Fall Fotografien, die eine krasse Perversion dokumentierten. Oder gar einen Kühlraum, in dem Leichenteile lagerten. Etwas von dieser kannibalischen Scheiße, wie sie jetzt Mode war. Im geringsten Fall hingegen war mir eine im Grunde harmlose Sammlung in den Sinn gekommen. Gebrauchte Unterwäsche, gebrauchte Bierdeckel, gebrauchte Damenschuhe, etwas Gebrauchtes jedenfalls. Das Gebrauchte ist die Trophäe der harmlosen Jäger.
    Aber Sam Soluschka war weder Kannibale noch ein harmloser Jäger. So wenig wie Zuhälter. Und so wenig wie sein Hund Differ noch am Leben war.
    Indem Ludvig Dalgard mit zwei bedächtigen Schritten in das Innere des Raums vorstieß, der so fensterlos war wie Bad und Schlafzimmer, schien er einen Impuls auszulösen. Denn mit einem Mal ging ein Licht an, allerdings kein Alarm, zumindest kein offenkundiger. Eine einzige Leuchte entließ einen kräftigen Strahl, welcher aus einem herabhängenden Rohr flutete. Der quadratische Raum, in dem es ausgesprochen warm war, schien sehr viel höher als die anderen, reichte wahrscheinlich über das Flachdach hinaus. Allerdings lag der Plafond in einer kompakten Schwärze. Die Höhe des Raums war somit bloß zu vermuten. Wände und Boden bestanden aus einer lückenlosen hölzernen Täfelung, die dasselbe

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