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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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–, welche Literatur für ähnlich ungesund halten wie ich meinerseits Obst und Joggen.
    »Ich arbeite nicht mehr als Leibwächter«, erklärte mir der Mann.
    Ich sagte ihm, daß ich keinen Leibwächter, sondern einen Einbrecher benötigen würde. Und bevor er etwas erwidern konnte, erzählte ich ihm die Geschichte. Betonte somit auch diese gewisse Unsinnigkeit der Angelegenheit. Beziehungsweise ihren esoterischen Charakter.
    »Sie sind in den Mann verknallt, nicht wahr?« meinte Dalgard. So hieß er: Ludvig Dalgard.
    »Nein, Herr Dalgard«, sagte ich, »das ist es nicht. Mit Liebe hat das nichts zu tun.«
    »Aber worum geht es dann?«
    »Ich weiß es nicht. Darum muß ich ja in dieses Zimmer. Um zu begreifen, worum es eigentlich geht.«
    »Meine Güte, Frau Botschafterin. Wahrscheinlich hat der Kerl dort drinnen seine schmutzige Unterwäsche abgelegt. Ein paar Flaschen Wodka. Ein paar Pornoheftchen. Frauenkleider. Einen häuslichen Vorrat an Kokain. Etwas in dieser Güteklasse. Ehrlich gesagt, ich lasse auch nicht alles frei herumliegen. Ein versperrtes Zimmer … Also, so was kommt schon mal vor. Ich finde nicht, daß man deshalb ein Delikt begehen sollte.«
    »Sie brauchen ja nicht umsonst arbeiten.«
    »Ich habe einen Job«, erklärte Dalgard. »Ich verdiene gut. Aber das ist gar nicht der Punkt. Ich würde Ihnen gerne einen Gefallen erweisen. Sogar sehr gerne. Aber ich müßte begreifen, wozu.«
    »Vielleicht begreifen Sie es nachher.«
    »Nachher«, sagte Dalgard, »gibt es immer einen guten Grund. Für alles. Im nachhinein wäre ein jeder bereit, die Welt zu retten. Aber eben nur im nachhinein.«
    »Ich kann Sie nur bitten«, sprach ich, »für einen Tag herüber nach Kopenhagen zu kommen und sich die Türe anzusehen. Mir zu sagen, ob ich sie öffnen kann und wie.«
    »Sie sind eine schöne Frau«, meinte Dalgard feststellen zu müssen.
    »Danke«, sagte ich, wollte aber schon noch wissen, was für eine Rolle das jetzt spiele.
    »Eine wichtige«, sagte er. »Ich würde sonst nämlich auflegen. Aber was soll ich tun? Sie sind nun mal der Star in meinem Herzen.«
    Ich staunte. Und erinnerte ihn, ihm bloß hin und wieder über den Weg gelaufen zu sein.
    »Viel zu selten, einerseits«, sagte Ludvig Dalgard. »Oft genug, andererseits.«
    Ich hatte nicht geahnt, was für ein schräger Kerl dieser Dalgard war. Beinahe bereute ich, ihn angerufen zu haben. Aber im selben Moment erklärte er, in den nächsten Tagen nach Kopenhagen zu müssen. Da könne man ja einmal nach der Türe schauen.
    »Und die Gegenleistung?« fragte ich. »Was erwarten Sie sich von mir?«
    »Sie brauchen mich nicht zu küssen«, versprach Dalgard.
    »Ich meine, wenn es das ist, wovor Sie sich fürchten. Ich bewundere Sie, das genügt. Eine Türe für Sie zu sprengen, hat etwas Reizvolles und Außerordentliches.«
    »Fein«, sagte ich und verabredete einen Termin für den Nachmittag. Meistens joggte Sam Soluschka nachmittags. Ich konnte nur beten, daß dies auch an jenem Tag der Fall sein würde.
     
    Genau das tat es dann.
    Dalgard saß mir gegenüber an dem ans Fenster gerückten Tisch. Hin und wieder sah er nach draußen, nippte dabei an seinem Tee. Er war wuchtiger als ich ihn in Erinnerung hatte. An seinem Brustkorb hätte man eine Garderobe montieren können. Er mochte Mitte Fünfzig sein. Er besaß den traurigen Blick kleiner Hunde. Ein Mann mit Halbglatze und Schnurrbart. Nicht eigentlich unattraktiv. Ein wenig verbaut, könnte man sagen. Wie eine dieser Villen, bei denen irgend etwas schief gelaufen ist, die aber natürlich weiterhin Villen bleiben, nicht bloß Wände mit einem Dach drauf.
    Während Dalgard sich mehr auf mich als auf die Straße konzentrierte, blieb mein Blick pausenlos auf das gegenüberliegende Haus gerichtet, auf die seitliche Türe, aus welcher der Mann, der sich Aschenbrödel nannte, treten sollte und schließlich auch trat. Kurz nach drei.
    »Jetzt!« rief ich und sprang von meinem Stuhl auf.
    »Nicht hetzen«, meinte Dalgard ruhig.
    Er hatte mir übrigens gestanden, für die norwegische Regierung zu arbeiten. Für eine Art Spezialeinheit, deren Aufgabe im Endeffekt darin bestand, die eigenen Leute in Schach zu halten, die eigene Polizei, den eigenen Geheimdienst, praktisch auch die eigene Regierung, zumindest wenn eins ihrer Mitglieder meinte, über Gebühr kreativ werden zu müssen. Sich verstieg.
    Dalgard war somit Teil eines autonomen Sicherheitsprogramms, das sich ein Staat hatte einfallen lassen, der sich

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