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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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dieser obersten Ebene sei.
    »Und wofür soll 39 stehen? 39. Stockwerk? Blödsinn!«
    »Was weiß ich?« hob Dalgard leicht seine Arme an und nickte in Richtung auf den Lift.
    »Gleich«, sagte ich und ging rasch hin zu der anderen Türe. Auf einem modisch illuminierten Schild prangte der Name eines Graphikbüros. Aber keine Türnummer.
    Ich kehrte zurück zu Dalgard, der bereits den Lift gerufen hatte, welcher sich nun mit dem üblichen Triangelton öffnete. Eine Kabine wie aus einem Film von David Lynch, vollständig mit rotbraunem Velours ausgekleidet. Ziemlich dunkel. Man hatte weniger das Gefühl, sich in einem Aufzug zu befinden, eher in einem langen Flur, wo ständig damit zu rechnen war, daß jemand um die Ecke kam. Jemand oder etwas.
    Aber es kam nichts. Und auch als wir den Lift verließen, trat uns niemand entgegen. Wir konnten den Schlüssel unbemerkt an der alten Stelle deponieren, sodann das Grundstück verlassen und hinüber in meine Wohnung gelangen.
    Ein paar Minuten später sahen wir vom Fenster aus, wie Sam Soluschka die Straße herunterlief. Er wirkte erholt und frisch und zuversichtlich wie immer. Nun, mit seiner Zuversicht würde es bald vorbei sein, dachte ich, überzeugt, daß der Verlust des Fläschchens 4711 sich eignete, ihn schier um den Verstand zu bringen.
    Wir warteten. Aber nichts geschah. Keine Polizei erschien, auch stürzte der Bestohlene nicht aus dem Haus, um was auch immer zu unternehmen.
    »Ich werde dann gehen«, sagte Dalgard. »Sie haben ja, was Sie wollen. Und ich wüßte nicht, was ich noch tun könnte.«
    »Sie könnten sich überlegen, was es mit der Zahl 3902 auf sich hat.«
    »Vierzehn«, sagte Dalgard.
    »Bitte?«
    »Die Summe der einzelnen Ziffern ergibt die Zahl Vierzehn. Und das ist darum interessant, weil dasselbe auch für 4711 gilt. Vierzehn.«
    »Zahlenmystik?«
    »Zahlenmystik«, erklärte Dalgard, »gehört zu den Dingen, die dann helfen, wenn gar nichts mehr hilft.«
    »Das klingt wiederum zynisch«, fand ich.
    »Ich bin bei sowas hin- und hergerissen«, gestand Dalgard.
    »Ich gehöre zu den Leuten, die mit Blumen reden, im Radio nach außerirdischen Stimmen suchen und sich vor dem Mond fürchten. Aber das würde ich niemals zugeben.«
    »Haben Sie doch gerade.«
    »Das war nur Spaß.«
    »Auch gut«, meinte ich und fragte Dalgard, was ich ihm schuldig sei für seine Hilfe. Geldmäßig.
    Dalgard winkte ab und erklärte, es sei ihm eine echte Freude gewesen. Vor allem von mir gerettet worden zu sein. So eine Schlange sei schließlich keine Kleinigkeit.
    »Ja«, sagte ich, »das passiert mir auch nicht alle Tage.«
    Dalgard erwähnte, im Hotel zu übernachten und morgen früh nach Oslo zurückzufahren. Dann ging er. Bei der Verabschiedung küßte er mir die Hand. Nicht, daß ich so was nicht gewohnt war, als Gattin eines Botschafters. Andererseits war das hier keine Botschaft, darum einigermaßen overstylt. Wenigstens verzichtete Dalgard darauf, mir einreden zu wollen, ich sei nun ein Leben lang für seinen Schutz verantwortlich. Das hätte mir noch gefehlt, mich um diesen Mann sorgen zu müssen.
    Aber Dalgard blieb mir erhalten. Als ich am Abend zusammen mit meinem ausnahmsweise heimgekehrten Gatten vor dem Fernseher saß, da läutete das Telefon. Einar hob ab, hörte eine Weile zu, hielt sodann den Hörer in meine Richtung, machte ein angewidertes Gesicht und sagte: »Irgendeiner von deinen Freunden.«
    Ich nahm den Apparat und ging in ein Nebenzimmer.
    »Hallo, wer ist da?« fragte ich.
    Statt seinen Namen zu nennen, sprach Dalgard: »3902.«
    »Die magische Vierzehn«, sagte ich.
    »Na ja«, meinte Dalgard zweifelnd und beeilte sich zu erklären, daß es nicht wirklich etwas zu sagen gebe. Er liege gerade in seinem Hotelbett und sehe sich im Fernsehen einen Film an. North by Northwest von Alfred Hitchcock. Besser gesagt: Der unsichtbare Dritte, da der Film in der deutschen Fassung laufe.
    »Die Geschichte mit dem Flugzeug, hab ich recht?« sagte ich, auf jene berühmte Szene in den Maisfeldern anspielend.
    »Ja.«
    »Und was hat das mit 3902 zu tun?«
    »Da ist eine Szene, wo Cary Grant und so eine dauergewellte Blondine sich gegenübersitzen. Cary Grant ist auf der Flucht, und das Mädchen bietet ihm Unterschlupf in ihrem Schlafwagenabteil an. Na, und jetzt kommt’s. Dieses Abteil hat doch tatsächlich … die Nummer 3902. Die Blondine sagt das sehr, sehr deutlich. Kein Irrtum möglich. Die gleiche Zahl wie auf der Türe von diesem

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