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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Dazu eine Cordhose aus zweiundzwanzig verschiedenen Farben, so ungefähr. Seine Schuhe waren aus orangem Leder genäht. Der ganze Soluschka, das ganze Aschenbrödel also, hatte etwas von einer Frühlingswiese, durch die ein warmer, aber kräftiger Wind zog. Er roch auf zehn Meter nach einem Parfum namens Blinder Wolf. So kräftig allerdings die Geruchsnote war, so wenig war zu klären, worin der Duft oder Gestank eines blinden Wolfs bestand. Im Gegensatz etwa zu einem sehenden.
    »Stell mich dem Buben vor«, bat ich meinen Journalistenfreund.
    »Der Bube ist nicht ganz einfach. Mitunter kann er zu Frauen sehr häßlich sein.«
    »Beleidigen kann ich auch«, sagte ich.
    »Hast recht«, meinte der Freund, drängte ein paar dünne Mädchen zur Seite und gab Soluschka ein Zeichen. Ich wußte nicht, was das Zeichen bedeutete. Aber es funktionierte. Soluschka ließ es zu, daß man uns bekannt machte.
    »Ach ja«, sagte er, »die Dame von der Norwegischen Literatur.«
    »Literaturgesellschaft«, korrigierte ich.
    »Was tust du da genau?« fragte er.
    »Ich spreche Mut zu. Autoren brauchen das mitunter, wenn sie nicht Sam Soluschka heißen und alle fünf Minuten vor einer Fernsehkamera stehen.«
    »Soll das heißen, daß du deinen Busen zur Verfügung stellst, damit sich ein paar Versager daran ausheulen können?«
    Er sah mich spöttisch an. Klar, zwischen uns lagen in etwa fünfundzwanzig Jahre. Das war mir bewußt wie ein Merkzettel, den man sich an die Unterwäsche heftet. Und eben weil mir dies so deutlich vor Augen stand, sagte ich jetzt: »Wenn du so weiterlebst, wie du lebst, und einmal so alt bist wie ich, dann wirst du aussehen wie eins dieser vergammelten Spielzeuge, die auf dem Boden von Kinderzimmern verenden.«
    »Bist du sauer auf mich«, fragte Soluschka, »weil ich von deinem Busen sprach? Habe ich vergessen zu sagen, daß es ein toller Busen ist?«
    »Ich bin schrecklich konservativ«, offenbarte ich. »So ein Weib aus den späten Sechzigern. Du weißt ja, daß sind die, die gleich sauer werden, wenn man sie auf ihre sekundären Geschlechtsmerkmale festlegt.«
    »Wie kommst du denn da drauf?« gab sich Soluschka befremdet. Dann lachte er und sagte: »Ich bin auf deinen Busen nicht angewiesen. Ganz im Unterschied, scheint mir, zu einigen meiner Kollegen.«
    »Du magst die Kollegen nicht, was?«
    »Ich will mich nicht mit Leuten verbrüdern, deren ganzer Verdienst darin besteht, Skandinavier zu sein.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine, daß ein Autor, bloß weil er den hohen Norden im Blut hat oder im Blut zu haben meint, noch kein Genie ist. Aber die Leser da unten in Deutschland, die lassen das die Skandinavier glauben. Das führt dazu, daß wenn ein Finne drei Wörter aneinanderreiht, jedermann, erst recht der Finne selbst, dahinter eine Sensation wittert.«
    »Der Skandinavierbonus ist aber auch dein Bonus«, erinnerte ich ihn.
    »Da hast du leider sehr recht. Egal, was ich rede, es wird stets der skandinavischen Sensation zugeordnet. Ich wäre so gerne eine Eidechse. Werde aber dauernd für ein Rentier gehalten. Es ist tragisch.«
    »Du hast mein Mitleid.«
    »Danke. Aber sag mal, Frau Botschafterin …«
    »Frau Gude.«
    »Ach ja, eine Frau aus den späten Sechzigern. Also, Frau Gude, was willst du eigentlich von mir?«
    »Dich einladen, was denn sonst? Es wäre schön, wenn du einen Vortrag halten könntest.«
    »Vor deinen Norwegern?«
    »Ja.«
    »Denkst du wirklich, ich würde so was tun?«
    »Es wäre eine feine Geste.«
    »Wieso das denn?« fragte Soluschka und zündete sich eine Zigarette an, deren Filter über ein kräftiges, fruchtiges Rot verfügte. Es sah aus, als halte er sich eine kleine, bleiche und steife Frau mit roten Haaren zwischen die Lippen. Eine winzige rothaarige Leiche.
    Ich sagte ihm, daß es vielleicht mal was anderes wäre, einen ernsthaften Vortrag zu halten, anstatt in Talkshows den wilden Hund zu mimen.
    »Ich mime keinen wilden Hund«, sagte Soluschka. »Und ich halte keine Vorträge. Worüber denn auch? Über den schwedischen Fußball, den dänischen Film, über Finnen, die drei Wörter aneinanderreihen? Nein, wirklich nicht.«
    »Das muß ich akzeptieren«, sagte ich.
    »Ja, das mußt du«, sagte Soluschka, besaß aber die Freundlichkeit, mich an die Bar einzuladen, wo er mittels einer unsichtbaren Geste den Barmixer dazu animierte, zwei Gläser und eine volle Flasche Barbados-Rum auf die Theke zu stellen.
    »Du trinkst doch, nicht wahr?« fragte Soluschka. Es hörte

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