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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Schuhe aus. Und zwar sicher nicht aus erotischen Gründen. Sondern aus Gründen der eigenen Sicherheit. Ohne Schuhe käme ich mir verloren vor. Sie sind der Boden unter meinen Füßen. Sie sind das einzig wirklich Materielle, über das ich verfüge. Der Rest ist Einbildung.
    Ich ging auf einen großen, wandhohen Spiegel zu, in dessen Rahmen drei spanische Thronfolger samt ihren Lieblingsjagdhunden Platz gefunden hätten. Ich betrachtete mich ein bißchen selbstverliebt, griff dann nach meiner Handtasche und zog ein Fläschchen 4711 heraus, öffnete die Kappe und beträufelte Hals und Schulter. Augenblicklich stand Sam neben mir und hatte mich am Handgelenk gepackt. Mit einem fiebrigen Blick stierte er auf das kleine, runde Behältnis.
    »Was ist denn?« tat ich erstaunt.
    Er beruhigte sich. Beziehungsweise zwang er sich, die Kontrolle zurückzugewinnen. Er nahm mir das Fläschchen aus der Hand, allerdings so behutsam wie nur möglich. Sodann hielt er sich die Öffnung an die Nase und sog vorsichtig den Duft ein. Ich bemerkte seine Erleichterung bei gleichzeitiger Enttäuschung. Sam sah mich an, als studiere er eine suppenschlürfende Schreibtischlampe. Als studiere er etwas höchst Dubioses. Dann hielt er mir das 4711 entgegen und fragte, was das solle.
    »Was soll was?« fragte ich zurück und griff nach dem Echt Kölnisch Wasser, das ich am Nachmittag in einem Drogeriemarkt erstanden hatte.
    »Willst du mir weismachen«, erkundigte sich Sam, »daß das dein Duft ist?«
    »Warum nicht. Ich mag ihn. Er paßt zu mir. Er paßt, wenn du so willst, zu meinem großen Busen. Sehr viel besser als so ein Jungmädchenbukett für die Gewichtsklasse bis vierzig Kilogramm. Oder das ganze Zeug, das wie ein Aufruf zur Gewalt stinkt. Nein, Sam, 4711 ist genau das richtige. Das meinte schon meine Mutter. Und ich bin alt genug, um nicht alles schrecklich zu finden, was meine Mutter gut fand.«
    »Das soll ich dir glauben?«
    »Das mußt du mir glauben«, sagte ich und fragte Sam, warum ihn das überhaupt interessiere. Und wieso er wie ein aufgeschrecktes Huhn aus dem Bett springe, um mir mein Parfum aus der Hand zu reißen.
    »Ein persönliches Trauma«, wich Sam aus und begab sich ins Badezimmer, wo er hörbar in die Toilette pißte.
    Wenn noch irgend etwas gefehlt hatte, Sam unsympathisch zu finden, dann war dies jetzt erfüllt. Männer, die wenn sie aufs Klo gingen, darauf verzichteten, die Türe hinter sich zu schließen, waren wie ein Makel in der Natur. Man konnte nur hoffen, daß sie irgendwann einer Selektion zum Opfer fielen, irgendwann aussterben würden.
    Während Sam wie in einem dümmlichen Sketch ewig lange seine Blase leerte, zog ich mich an. In der Zeit, in der er pinkelte, hätte ich mir einen Feuerwehranzug überstülpen können. Es handelte sich aber bloß um ein wenig Unterwäsche und ein Abendkleid. Ohne ein Wort verließ ich das Zimmer. Ich beschloß, die Sache fürs erste ruhen zu lassen. Genaugenommen, wußte ich nicht, was weiter zu tun war.
    Nun, es war dann auch Sam, der die Akzente setzte. Als ich zwei Tage später abends nach Hause kam, saß er zusammen mit meinem Mann im Wohnzimmer. Sie schienen sich gut zu unterhalten. Was mich wunderte. Einar konnte Schriftsteller nicht leiden, ganz prinzipiell und nicht zuletzt, weil eine Menge von ihnen zu meinen Freunden zählten. Einar lebte mit der Phantasie, daß man eine Frau ganz für sich haben konnte. Gleichzeitig lebte er mit der Phantasie, daß ich mit jedem Mann, der auch nur ein Gedicht verfaßt hatte, ins Bett stieg. Was nicht der Fall war. Ich wählte meine Affären sparsam aus und war nicht so verrückt, mich dabei auf die schreibende Zunft zu beschränken. Ausgerechnet.
    Wie gesagt, die beiden schienen sich zu amüsieren. Sie begrüßten mich, als wäre ich ein verspäteter Skatpartner. Als mein Blick auf den niedrigen Glastisch fiel, der wie ein zu groß geratener Plattenteller zwischen den zwei Männern stand, erschrak ich, und zwar ordentlich. Auf der Fläche, auf der ansonsten irgendwelche verdammten Obstschalen zu finden waren, thronte jetzt ein Fläschchen 4711.
    Freilich konnte es nicht jenes sein, das aus Soluschkas Wohnung stammte. Ich hatte es in einem Schließfach deponiert, wo es sich noch immer befand.
    »Du hast mir gar nicht erzählt«, begann Einar in jenem vergnügten Ton, den er immer dann benutzte, wenn er innerlich kochte, »daß Herr Soluschka gleich gegenüber wohnt.«
    Ich zuckte mit der Schulter. Mehr fiel mir auf die Schnelle

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