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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Frauenstimme erklärte, nicht dafür bezahlt zu werden, Cheng die Kundschaft vom Leibe zu halten.
    »Davon kann doch keine Rede … Lassen wir das. Herr Dalgard soll kommen.«
    Diese Frau hätte auf den Mond geschossen gehört. Doch die Leute-auf-den-Mond-schießen-Zeit war für Cheng vorbei. Auch nie wirklich seine Stärke gewesen.
    Ludvig Dalgard erwies sich als ein Mann, dessen Brustkorb an einen Bauch erinnerte, also bei aller Mächtigkeit einen weichen, runden und freundlichen Eindruck machte. Der eigentliche Bauch fiel dabei kaum ins Gewicht. Klein war er trotzdem nicht.
    Bei Dalgard handelte es sich um einen auch insgesamt mächtigen Mittfünfziger. Er besaß kräftige Wühlhände, einen vergleichsweise kleinen Schädel, eine blanke, beinah flache Kuppe im offenen Kranz hellbrauner Haare, eine gerade Nase, einen nicht ganz so geraden Mund sowie ein Augenpaar, welches – obgleich brillenlos – im Schatten leicht dunklen Glases zu stehen schien. Damit aber auch im Licht einer Sonne, die einen solchen Schatten erst ermöglichte. Und dieses Licht war es wohl, das seinen Teint wesentlich erhellte und seinem gräulichen Schnurrbart etwas von einem Hauch verlieh. Wie hingeblasen.
    Dalgard reichte Cheng seine Möbelpackerhand und nahm in dem einfachen, harten Stuhl Platz, den Cheng ihm angeboten hatte. Chengs Service bestand sicher nicht darin, es seinen Kunden gemütlich zu machen. Das war auch so ein Punkt, der sich seit Stuttgart verändert hatte, als er noch die Freundlichkeit besessen hatte, Gesprächspartnern ein Glas Weißwein anzubieten. jetzt aber servierte Cheng nichts anderes als eine aufrechte Haltung und die unterstützende Pose eines gestreckten Arms, dessen Hand auf der Tischfläche auflag. Er fragte, was er für Dalgard tun könne.
    Dalgard machte Cheng die Freude, auf deutsch zu antworten, ein Deutsch, das sehr viel besser klang als Chengs unglücklich verrenktes Dänisch. Auch hielt sich Dalgard in einer für Norweger untypischen Weise daran, sein Gegenüber mit »Sie« anzusprechen, als er jetzt erklärte, Cheng engagieren zu wollen.
    »Wozu?« fragte Cheng im Ton eines Verkäufers, der nichts verkaufen möchte.
    »Sie sollen nach Wien fahren«, sagte Dalgard.
    »Oje!« meinte Cheng.
    »Schlechte Erinnerungen, wie?«
    »Wien ist meine Heimat. Da kann man nicht von gut oder schlecht reden. Heimat ist das Gewehr, das man sich Tag und Nacht an die Stirn hält, ohne je abzudrücken.«
    Dalgard runzelte die Stirne. Das war wohl nicht die Art von Vergleich, die er zu schätzen wußte.
    »Was soll ich in Wien?« fragte Cheng. Um gleich darauf anzufügen: »Zuerst aber will ich wissen, wer mich Ihnen empfohlen hat.«
    »Ich kenne Ihre Freundin von der Zeitung«, erklärte Dalgard, noch immer darum bemüht, auf dem viel zu schmalen und harten Sessel eine erträgliche Position einzunehmen.
    »Ach so, Vivi. Wundert mich, daß sie über mich redet. Es paßt nicht zu ihr, Kontakte preiszugeben.«
    »Vivi kann mir schlecht etwas abschlagen.«
    »Wieso das denn?«
    »Na ja, ich arbeite für den Staat.«
    »Das soll ein Grund sein?« staunte Cheng. Und erkundigte sich: »Dänischer Geheimdienst?«
    »Was haben Geheimdienste schon mit dem Staat zu tun?« fragte Dalgard. Und gab sich selbst die Antwort: »Nichts. Ich gehöre vielmehr zu denen, die diese Wilden in Schach halten. Soweit das überhaupt möglich ist.«
    »Also von der Regierung.«
    »Wenn Sie so wollen. Aber nicht von der dänischen.«
    »Sondern.«
    »Ich stamme aus Norwegen, Herr Cheng.«
    »Auch gut. So oder so bin ich der Falsche, wenn es darum geht, Wilde in Schach zu halten. Mein Schach ist elendiglich.«
    »Fein«, meinte Dalgard, der endlich auf seinem Hintern zur Ruhe gekommen war. »Es soll bei dieser Sache auch nicht darum gehen, einen Bauern zu opfern.«
    »Hört sich vernünftig an. Das Leben der Bauern ist hart genug. Also, worum geht es?«
    »Sie erinnern sich sicher an den norwegischen Botschafter hier in Kopenhagen, Einar Gude? An den Mann, der in Wien erschossen wurde?«
    »Nun, ich müßte taub und blind wie mein Hund sein, um das nicht mitbekommen zu haben. Merkwürdiger Fall, wenn man bedenkt, wie wenig sich Gude für einen politischen Mord qualifiziert hat. Soweit allgemein bekannt.«
    »Das ist richtig«, bestätigte Dalgard. »Trotz seiner Zeit in Chile. Aber der Mann war stets ein lupenreiner Diplomat. Immer um Ausgleich bemüht. Im Grunde unpolitisch, ein Parteiloser. Er hat nie etwas unternommen, was irgend jemand hätte

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