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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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verärgern können.«
    »Schade um einen solchen Menschen«, sagte Cheng. Das bißchen Ironie, das mitschwang, schwang immer mit, wenn er seinen Mund auftat. Ironie in der Art von Staub. Unvermeidlich.
    »Schade ist das falsche Wort«, meinte Dalgard. »Jeder ist ersetzbar. Auch der Beste. Auch der Unschuldigste. Aber es beschäftigt uns natürlich, wenn man einen unserer altgedienten Diplomaten liquidiert und nicht dazusagt, weshalb eigentlich.«
    »Vielleicht etwas Privates.«
    »Möglich. Aber das würden wir dann ganz gerne wissen. Die Machart spricht dagegen. Zu perfekt. Zu operativ. Zu öffentlich. Jedenfalls dürfen wir uns nicht mit Vermutungen begnügen. Wir benötigen Klarheit. Es wäre fatal, wäre Gude bloß eine Art Probelauf gewesen, den wir nicht als solchen erkennen. Ein Schuß vor den Bug, und wir zucken mit den Achseln.«
    »Ich glaube kaum«, sagte Cheng, »daß ich das Format besitze, ein Komplott aufzudecken. Ehrlich. Und ich bin nicht minder geeignet, einen Verrückten zur Strecke zu bringen. Wenn denn da ein Verrückter herumschwirrt.«
    »Das verlangt auch niemand. Wir wollen bloß, daß Sie sich in Wien umsehen. Sie können sich denken, daß uns die Hände gebunden sind. Unsere Spezialisten, die wir da hinunterschicken, hängen am Gängelband der Österreicher.«
    »Wer hängt schon gerne?« bemerkte Cheng.
    »Sie sind Österreicher, ich will also nichts gegen diese Leute sagen.«
    »Ich tät es überleben.«
    »Es gibt Regeln«, erklärte der Mann mit der bauchigen Brust. »Wir können nicht, wie wir wollen. Und das letzte, was wir vorhaben, ist, einen von unseren Wilden zu entsenden. Die Österreicher lieben ihr Porzellan, wie man so sagt. Menschen mit Porzellan sind immer kleinlich. Meine Frau sammelt Porzellan. Ich weiß, wovon ich spreche.«
    »Sie wollen Scherben verhindern.«
    »Genau das ist der Punkt.«
    »Was stellen Sie sich vor, das ich im Detail tun soll?«
    »Uns interessiert, wieso Gude in Wien erschossen wurde. Sein Besuch war kein offizieller. Er wollte ja nur in diese Ausstellung.«
    »Dürer, nicht wahr?«
    »Ja. Allerdings erwischte es Gude in einem anderen Saal. Inmitten von Fotografien Brassaïs.«
    »Guter Geschmack«, stellte Cheng fest.
    »Meinen Sie den Geschmack des Täters?«
    »Eher des Opfers, wenn es sich dort freiwillig aufgehalten hat.«
    »Möglicherweise war er verabredet.«
    »Mit seinem Mörder?«
    »Wir wissen es nicht. Wir tappen völlig im dunkeln. Auch seine Frau konnte uns nicht weiterhelfen.«
    »Wo war sie?«
    »Nun, bei Dürer. Sie sagt aus, ihr Mann sei plötzlich weg gewesen. Was natürlich nicht ungewöhnlich ist, daß man sich in einem überfüllten Museum verliert.«
    »Was ist von der Witwe zu halten?«
    »Sie kennen sie nicht?«
    »Sollte ich?« fragte Cheng.
    »Eine Dame der Gesellschaft. Eine Muse, könnte man sagen. Eine moderne Muse.«
    Cheng gestand, sich wenig um die »besseren Dänen und besseren Norweger« zu kümmern. Er lese keine Klatschspalten. Überhaupt keine Zeitungen.
    »Und? Was lesen Sie dann?« fragte Dalgard.
    »Bücher über Gartenpflege. Das beruhigt mich. Ich tue gerne Dinge, die beruhigen. Woran Sie erkennen können, daß dieser Fall schlecht zu mir paßt. Zu aufregend. Wenig Blumiges.«
    »Sie sind kokett, Herr Cheng. Was ich so hörte, haben Sie ein paar aufregende Geschichten hinter sich.«
    »Es gibt Leute, die hassen Regen und Matsch und kräftigen Wind. Was nichts daran ändert, daß sie immer wieder in ein Unwetter geraten.«
    »Das ist dann Schicksal«, kommentierte Dalgard. »Aber keine Sorge. Niemand verlangt von Ihnen, ein Unwetter aufzusuchen. Wir wollen nur, daß Sie sich ein wenig in Wien umsehen. Hinhören, was so geredet wird. Finden Sie heraus, ob Gude aus gutem Grund dort und nicht woanders ermordet wurde.«
    »Einen Grund muß es wohl geben.«
    »Ja, aber die Frage stellt sich, ob der Grund maßgeblich oder belanglos ist. Es gibt Umstände, die niemand aufregen müssen. Andere wiederum gefährden die nationale Sicherheit.«
    »Warum ich?« fragte Cheng. Wie man fragt: Warum Krieg?
    »Sie sind Österreicher, Wiener«, sagte Dalgard, »ohne wie ein solcher auszusehen. Ich halte das für einen Vorteil. Sie kennen die dortigen Verhältnisse.«
    »Ich bin lange weg.«
    »Trotzdem. Außerdem wollen wir jemand engagieren, der auf unserer Seite steht. Und das tun Sie doch, nicht wahr?«
    »Ich bin zu Gast bei den Dänen, nicht bei den Norwegern.«
    »Die dänischen Behörden unterstützen unsere

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