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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Bemühungen. Die wollen genauso wissen, was von der Sache zu halten ist. Denn wenn eine Gefahr besteht, dann vielleicht auch für die Dänen.«
    »Ich bin loyal mit meinem Auftraggeber«, versicherte Cheng.
    »Das versteht sich. Ich war schon mit ganz anderen Leuten loyal.«
    »Danke«, sagte Dalgard säuerlich und begann erneut, auf seinem Sessel herumzurücken.
    Cheng meinte, daß er, Dalgard, doch wohl eine genaue Vorstellung davon hätte, was in Wien zu tun sei.
    »Es gibt da eine Sache«, begann Dalgard, »die ich für bemerkenswert halte. Auffällig, ein wenig verwirrend. Auch wenn es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um etwas durch und durch Harmloses handelt.«
    »Das wäre?«
    »Wir haben da in Wien eine Museumswärterin, die Gude sah, als er zwischen den Fotografien herumschlenderte. Und als sie ihm dann wieder begegnete, war er eine Leiche. Dazwischen, so erklärt sie, habe sie nur einen einzigen weiteren Besucher bemerkt, und auch bloß von hinten, als dieser soeben den Raum verließ. Eine schlanke, blonde Frau.«
    »Das heißt nicht viel, obwohl ich mit Blondinen so meine Erfahrungen habe. Das kann ich Ihnen verraten.«
    »Ja, viel heißt es wirklich nicht. Doch interessant wird dieser Bericht erst durch die Beobachtung eines weiteren Wärters.«
    Dalgard beschrieb, wie Magda Gude noch in den Räumen der Dürerausstellung einer Frau – auch diese schlank und blond – behilflich gewesen sei. Dadurch, daß sie eine Weile auf deren behinderten Sohn aufgepaßt habe. Was für jedermann offensichtlich gewesen sei. Eine freundliche Geste bloß. Und eine weitere freundliche Geste habe nun darin bestanden, daß Magda Gude – nachdem man ihren Mann tot aufgefunden hatte und das Gebäude gesperrt worden war – die Polizei ersucht habe, ebenjene Frau mit ihrem Sohn aus dem Museum zu eskortieren, um den beiden die Umstände einer langen Warterei und unnötigen Visitation zu ersparen. Des Jungen wegen, versteht sich.
    »Ein Wunsch«, sagte Dalgard, »dem die Wiener Polizei nachgekommen ist. Frau Gude war soeben Witwe geworden und hatte mehr als nur einen Wunsch frei.«
    »Selbstverständlich«, sagte Cheng unter Ausschüttelung ironischen Staubes.
    »Wie gesagt, die Sache scheint harmlos. Eher ein Beweis für die Menschlichkeit Magda Gudes, die sich selbst noch in einer solchen Situation um jemand anders kümmert.«
    »Ich nehme an«, sagte Cheng, »genau das ist es, was Ihnen verdächtig vorkommt.«
    »Ich will wissen, was es zu bedeuten hat. Ich glaube ja nicht wirklich, daß eine Frau mit ihrem behinderten Sohn in eine Ausstellung marschiert, ihr Kind der künftigen Witwe zur Beaufsichtigung überläßt, um sodann mit Ruhe und Übersicht einen norwegischen Diplomaten zu erschießen.«
    »Weiß man etwas über diese Frau?«
    »Nichts. Magda Gude hat erklärt, sie nie zuvor gesehen zu haben. Auch der Polizist, der die Frau und das Kind begleitet hat, konnte uns nicht weiterhelfen. Ohnedies hält man das Ganze für unwichtig. Nicht nur in Wien. Auch hier bei uns.«
    »Sie aber nicht, scheint mir.«
    »Ich weiß nicht, was ich denken soll. Aber ich halte es für sinnvoll, an diesem Punkt anzusetzen. Chirurgisch gesprochen, wäre das die Stelle, wo man mit der Sektion beginnen sollte.«
    »Stelle ist gut«, meinte Cheng. »Das ist ein ganzer Sektor, ein riesiger Quadrant. Eine Frau ohne Namen, von der man ihre Haarfarbe und ihre Schlankheit kennt. Na toll!«
    »Das ist wohl kaum Ihre erste Frau ohne Namen.«
    »Richtig. Sehr, sehr richtig. Leider Gottes. Ich will nicht zum Spezialisten für Namenlose werden.«
    »Immerhin wissen wir«, meinte Dalgard, »daß unsere Namenlose ein Kind hat. Nicht irgendeines. Einen zehn- bis vierzehnjährigen Jungen, der auffällt.«
    »Genauer geht es nicht?«
    »Sie kennen das doch. Die Leute sehen die Behinderung. Davon sind sie gefesselt und abgestoßen. Wissen nachher nicht einmal mehr, wie klein oder groß jemand war.«
    »Welche Art von Behinderung?«
    »Auch da gehen die Aussagen auseinander. Sicher ist, daß der Junge sich weder normal bewegt, noch normal gesprochen hat.«
    »Meine Güte, in meinen Ohren hört sich kein Vierzehnjähriger normal an.«
    »Hören Sie auf«, mahnte Dalgard, »die Sache komplizierter zu machen, als sie das ohnehin ist. Finden Sie diese Frau. Und wenn Sie soweit sind, rufen Sie mich an, kassieren Ihren Lohn und vergessen die Geschichte.«
    »Sie bezahlen mich doch gut?«
    »Wir leben hier im Wohlstand. Also überweisen wir Ihnen einen Vorschuß,

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