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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nach.«
    »Die Bedeutung liegt allein in der Tradition«, bemerkte Mrs Lacey. »Nun gute Nacht, Monsieur Poirot, träumen Sie nicht zu viel von Rumpasteten und Weihnachtsplumpudding.«
     
    »Ja«, murmelte Poirot vor sich hin, als er sich auszog. »Dieser Weihnachtsplumpudding ist ein Problem. Irgendetwas verstehe ich daran nicht.« Er schüttelte verdrießlich den Kopf. »Wir werden ja sehen.«
    Nachdem Poirot einige Vorbereitungen getroffen hatte, legte er sich ins Bett, allerdings nicht, um zu schlafen. Nach ungefähr zwei Stunden wurde seine Geduld belohnt.
    Die Tür seines Schlafzimmers öffnete sich vorsichtig. Er lächelte vor sich hin. Genau das hatte er erwartet. Er stellte sich noch einmal vor, wie Desmond Lee-Wortley ihm höflich eine Tasse Kaffee gereicht hatte. Ein wenig später, als Desmond mit dem Rücken zu ihm stand, hatte er für ein paar Sekunden die Tasse auf dem Tisch abgesetzt. Dann hatte er sie offensichtlich wieder aufgenommen. Zu Desmonds Befriedigung – wenn man das so nennen kann – hatte er den Kaffee bis zum letzten Tropfen getrunken. Ein Lächeln hob Poirots Schnurrbart, als er sich vorstellte, dass jetzt nicht er, sondern ein anderer in einem besonders tiefen Schlaf lag.
    »Dieser nette, junge David«, sprach Poirot zu sich selbst. »Ihn bedrückte etwas, er ist unglücklich. Es wird ihm nichts schaden, wenn er einmal eine Nacht lang tief schläft. Aber jetzt wollen wir mal sehen, was passiert.«
    Poirot lag ganz still, atmete tief und regelmäßig, nur gelegentlich hörte man ihn ein wenig schnarchen.
    Jemand trat an sein Bett und beugte sich über ihn. Dann wandte sich dieser Jemand zufrieden ab und ging zum Ankleidetisch hinüber. Beim Licht einer winzigen Taschenlampe durchsuchte er Poirots Habseligkeiten, die säuberlich auf dem Ankleidetisch abgelegt waren. Finger durchwühlten die Brieftasche, zogen die Schubladen des Ankleidetisches auf, suchten in Poirots Anzugtaschen. Schließlich näherte sich der Besucher wieder dem Bett und fuhr mit größter Behutsamkeit unter das Kopfkissen. Nachdem er die Hand wieder zurückgezogen hatte, blieb er einen Moment lang stehen – unschlüssig, was er als nächstes tun sollte. Er schlich im Zimmer umher und durchsuchte alles, was zur Zierde dastand. Er ging in das angrenzende Badezimmer, aus dem er aber gleich wieder zurückkam. Dann verließ er das Zimmer mit einem halblaut ausgestoßenen Fluch.
    »Ha«, flüsterte Poirot. »Jetzt bist du aber enttäuscht, was? Ja, ja, schwer enttäuscht. Wie konntest du nur annehmen, dass Hercule Poirot etwas dort versteckt, wo du es finden könntest.«
    Dann drehte er sich auf die andere Seite und schlief sofort ein. Am nächsten Morgen wurde er durch beharrliches Klopfen an der Tür geweckt.
    »Qui est là ? Herein, herein.«
    Die Tür öffnete sich. Atemlos, mit gerötetem Gesicht, stand Colin auf der Schwelle – hinter ihm Michael.
    »Monsieur Poirot, Monsieur Poirot!«
    »Aber ja, was ist denn?« Poirot setzte sich im Bett auf. »Gibt es schon den Morgentee? Ach nein, du bist es, Colin. Was ist los?«
    Colin war einen Augenblick lang sprachlos. Er schien sehr erregt zu sein. In Wirklichkeit war es aber die Schlafmütze, die Hercule Poirot trug und die Colin einen Moment lang die Sprache verschlug. Als er sich wieder gefangen hatte, stotterte er: »Ich glaube – Monsieur Poirot, können Sie uns helfen? Es ist etwas Schreckliches passiert.«
    »Was denn?«
    »Es ist – es ist Bridget. Sie liegt draußen im Schnee. Ich glaube – sie regt sich nicht mehr und spricht auch nicht. Sie müssen sie sich sofort ansehen. Ich habe furchtbare Angst. Vielleicht ist sie – tot.«
    »Was?« Poirot warf die Bettdecke zur Seite. »Mademoiselle Bridget – tot?«
    »Ich glaube, jemand hat sie getötet. Sie blutet und – oh, kommen Sie doch!«
    Poirot schlüpfte in seine Schuhe und zog seinen pelzgefütterten Mantel über den Schlafanzug.
    »Hast du schon alle im Haus alarmiert?«
    »Nein, nein, ich habe es bis jetzt nur Ihnen gesagt. Ich dachte, es wäre besser so. Großvater und Großmutter sind noch nicht auf. Unten wird erst der Frühstückstisch gedeckt, aber ich habe Peverell nichts gesagt. Sie liegt hinter dem Haus nahe beim Fenster der Bibliothek – an der Terrasse.«
    »Führt mich hin!«
    Colin wandte sich schnell ab, damit ihn sein freudiges Grinsen nicht verriet. Er führte Poirot die Treppen hinunter. Sie traten durch eine Nebentür ins Freie. Es war ein klarer Morgen. Die Sonne war gerade

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