Ein diplomatischer Zwischenfall
Pudding. Wunderbar rote und blaue Flämmchen züngelten an ihm empor.
Mrs Lacey hatte eins erreicht: Peverell durfte den Plumpudding nicht mehr herumreichen, sondern musste ihn vor ihr niedersetzen, sodass sie ihn selbst austeilen konnte. Erleichtert seufzte sie auf, als die Platte sicher vor ihr stand. Schnell wurden die Teller gefüllt und weitergereicht.
»Wünschen Sie sich was, Monsieur Poirot«, rief Bridget. »Wünsch dir was, bevor die Flämmchen ausgehen – schnell, Opa, schnell!«
Mrs Lacey lehnte sich zufrieden zurück. Das Unternehmen »Pudding« war ein voller Erfolg. Vor jedem stand eine Portion Plumpudding, an dem die Flämmchen noch leckten. Stille herrschte einen Augenblick lang am Tisch, weil sich jeder intensiv etwas wünschte. Niemand nahm Poirots seltsamen Gesichtsausdruck wahr, als er seine Portion auf dem Teller betrachtete. »Essen Sie nichts von dem Pudding!« Was um alles in der Welt sollte diese unheilvolle Warnung bedeuten? Seine Portion sah genauso wie die anderen Portionen aus. Mit einem Seufzer griff er zu Löffel und Gabel. Obwohl Hercule Poirot sich eine Verwirrung niemals gern eingestand, musste er es diesmal tun. Er war tatsächlich verwirrt.
»Mögen Sie steife Creme, Monsieur Poirot?«
Poirot bediente sich reichlich.
»Hast mir wieder meinen guten Kognak stibitzt, Em?«, fragte der Oberst gut gelaunt vom anderen Ende des Tisches her. Mrs Lacey zwinkerte ihm zu.
»Mrs Ross will nur besten Branntwein verwenden, Liebling. Sie sagt, davon hängt alles ab.«
»Ist schon gut. Es ist nur einmal im Jahr Weihnachten, und Mrs Ross ist eine hervorragende Köchin.«
»Das stimmt wirklich«, sagte Colin. »Der Plumpudding schmeckt wundervoll – hm.« Er stopfte sich genießerisch ein neues Stück Pudding in den Mund. Zaghaft, fast zimperlich nahm Poirot seinen Pudding in Angriff. Er aß einen Löffel voll. Es schmeckte herrlich! Er aß einen zweiten Löffel voll. Leise klappernd fiel etwas auf seinen Teller. Er untersuchte es mit der Gabel. Bridget – sie saß links von ihm – half ihm dabei.
»Sie haben da etwas, Monsieur Poirot«, sagte sie. »Ich bin gespannt, was es ist.«
Poirot löste etwas Kleines, Silbernes aus den Rosinen heraus, die daran klebten.
»Monsieur Poirot hat den Junggesellenknopf!«, rief Bridget.
Hercule Poirot tauchte den kleinen Silberknopf in das Wasserschälchen, das neben seinem Teller stand, und wusch die Krumen ab. »Der Knopf ist sehr hübsch«, stellte er fest.
»Das bedeutet, dass Sie Junggeselle bleiben, Monsieur Poirot«, erklärte ihm Colin hilfsbereit.
»Ich habe auch nichts anderes vor«, antwortete Poirot ernst. »Seit vielen langen Jahren bin ich Junggeselle, und es ist unwahrscheinlich, dass sich dieser Zustand ändern wird.«
»Nur nicht verzweifeln«, erklärte Michael. »Ich habe in der Zeitung gelesen, dass neulich ein Fünfundneunzigjähriger ein zweiundzwanzigjähriges Mädchen geheiratet hat.«
»Du machst mir Mut.«
Plötzlich schrie Oberst Lacey auf. Sein Gesicht lief dunkelrot an. Er griff sich an den Mund.
»Verdammt noch mal, Emmeline!«, brüllte er. »Warum zum Donnerwetter erlaubst du der Köchin, Glas in meine Portion zu tun?«
»Glas?«, rief Mrs Lacey erstaunt aus.
Oberst Lacey holte den Gegenstand seines Ärgers aus dem Mund.
»Hätte mir einen Zahn ausbrechen können«, schnauzte er. »Oder hätte das verdammte Ding verschlucken und eine Blinddarmentzündung bekommen können.«
Er ließ das Glasstück in sein Wasserschälchen fallen, spülte es ab und hielt es hoch.
»Es ist ein roter Stein aus einem Knallbonbon.«
»Erlauben Sie?«
Monsieur Poirot beugte sich sehr geschickt an seinem Nachbarn vorbei, nahm Oberst Lacey den Stein aus der Hand und untersuchte ihn aufmerksam. Es stimmte, was der Hausherr gesagt hatte. Der Stein war ziemlich groß und rot. Er hatte die Farbe eines Rubins. Während Poirot ihn herumdrehte, reflektierte der Stein funkelnd das Licht. Ein Stuhl wurde irgendwo am Tisch hart zurückgestoßen und dann wieder herangezogen.
»Puh!«, rief Michael aus. »War das prima, wenn der Stein echt wäre.«
»Vielleicht ist er echt«, antwortete Bridget hoffnungsvoll.
»Sei kein Esel, Bridget. Ein Rubin in dieser Größe würde viele tausend Pfund kosten, nicht wahr, Monsieur Poirot?«
»Ja, das stimmt.«
»Aber ich kann wirklich nicht begreifen, wie der Stein in den Pudding gekommen ist«, erregte sich Mrs Lacey.
»Ach«, rief Colin aus, den sein letztes Stück Pudding ablenkte. »Ich habe
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