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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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bezieht sich das auf das merkwürdige Verhalten des Major Rich.«
    Miss Lemon sagte in leicht abfälligem Ton:
    »Man scheint zu vermuten, dass Major Rich und Mrs Clayton sehr eng befreundet waren… Es war eine Andeutung und keine erwiesene Tatsache. Daher habe ich es in meinem Resümee nicht erwähnt.«
    »Sehr richtig von Ihnen. Aber es ist eine Folgerung, die ins Auge springt! Ist das alles, was Ihnen dazu einfällt?«
    Miss Lemon blickte ausdruckslos vor sich hin. Poirot dachte mit einem Seufzer an die lebhafte Fantasie seines Freundes Hastings. Die Diskussion eines Falles mit Miss Lemon war eine mühsame Arbeit.
    »Betrachten wir einmal diesen Major Rich. Er ist in Mrs Clayton verliebt – zugegeben… Er will ihren Gatten beiseiteschaffen – auch das räumen wir ein, obgleich man sich fragt: Wenn Mrs Clayton in ihn verliebt ist und die beiden ein Verhältnis miteinander haben, warum pressiert’s dann so? Will Mr Clayton sich vielleicht nicht von seiner Frau scheiden lassen? Doch davon will ich nicht reden. Major Rich ist ein pensionierter Soldat, und manchmal heißt es, dass Soldaten nicht viel Grips haben. Aber, tout de même, ist denn dieser Major Rich ein kompletter Idiot?«
    Miss Lemon erwiderte nichts darauf. Sie hielt dies für eine rein rhetorische Frage.
    »Nun«, fragte Poirot, »was halten Sie denn von der ganzen Geschichte?«
    »Was ich davon halte?«, wiederholte Miss Lemon erschrocken.
    »Mais oui – Sie!«
    Miss Lemon bemühte sich, der neuen Aufforderung, die ihrem Verstand zugemutet wurde, gerecht zu werden. Sie erging sich nie in irgendwelchen Spekulationen, falls sie nicht direkt dazu aufgefordert wurde. Wenn sie einmal über einen müßigen Augenblick verfügte, beschäftigten sich ihre Gedanken mit den Einzelheiten eines überaus vollkommenen Ablagesystems. Das war ihre einzige geistige Ausschweifung.
    »Nun …«, begann sie und brach ab.
    »Erzählen Sie mir einfach, was nach Ihrer Ansicht an jenem Abend geschah. Mr Clayton sitzt im Wohnzimmer und schreibt ein paar Zeilen. Major Rich kehrt zurück – was dann?«
    »Er findet Mr Clayton vor. Sie haben – ist jedenfalls anzunehmen – einen Wortwechsel, und Major Rich ersticht Mr Clayton. Sobald er sieht, was er getan hat, verbirgt er die – die Leiche in der Truhe. Die Gäste konnten schließlich jeden Augenblick eintreffen.«
    »Ja, ja. Die Gäste erscheinen! Die Leiche ist in der Truhe. Der Abend vergeht. Die Gäste brechen auf. Und dann?«
    »Na, dann geht Major Rich vermutlich zu Bett und… Oh!«
    »Aha«, sagte Poirot. »Jetzt geht Ihnen ein Licht auf. Sie haben einen Menschen ermordet und die Leiche in einer Truhe versteckt. Und dann gehen Sie seelenruhig zu Bett, ohne sich von dem Gedanken stören zu lassen, dass Ihr Diener am nächsten Morgen das Verbrechen entdecken wird.«
    »Vielleicht hat er nicht damit gerechnet, dass der Diener einen Blick in die Truhe werfen würde.«
    »Trotz einer großen Blutlache auf dem Teppich?«
    »Vielleicht ahnte Major Rich nichts von dem Fleck.«
    »War es nicht reichlich nachlässig von ihm, sich nicht davon zu überzeugen?«
    »Er war wohl etwas aufgeregt«, meinte Miss Lemon.
    Poirot hob verzweifelt die Hände.
    Miss Lemon benutzte die Gelegenheit, um sich eiligst aus dem Zimmer zu entfernen.
     
    Das Geheimnis der spanischen Truhe ging Poirot, genau genommen, nichts an. Er war im Augenblick mit einem delikaten Auftrag beschäftigt, den ihm eine der großen Gesellschaften erteilt hatte. Es handelte sich dabei um einen Mann in höherer Position, der möglicherweise an fragwürdigen Transaktionen beteiligt war. Eine streng vertrauliche, wichtige und höchst lukrative Aufgabe. Sie war genügend kompliziert, um Poirots Interesse zu fesseln, und hatte den großen Vorteil, dass sie sehr wenig physische Aktivität erforderte. Aber sie war nüchtern und appellierte nur an den Verstand. Verbrechen auf höchster Ebene.
    Das Geheimnis der spanischen Truhe dagegen war hochdramatisch und mit Gefühlen durchsetzt; zwei Eigenschaften, vor denen er Hastings oft gewarnt hatte. In dieser Hinsicht war er mit ce cher Hastings sehr streng gewesen, und nun war er selbst, genau wie sein Freund, besessen von schönen Frauen, Verbrechen aus Leidenschaft, Eifersucht, Hass und allen anderen romantischen Mordursachen! Er wollte genau darüber Bescheid wissen. Er wollte in Erfahrung bringen, was für Menschen das waren, dieser Major Rich und sein Diener und Margharita Clayton (obgleich er über sie im Bilde zu sein

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