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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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hingen japanische Holzschnitte. Es war ein schöner Raum, behaglich, aber nicht luxuriös.
    Sein Blick fiel wieder auf William Burgess.
    »Die Entdeckung«, sagte er freundlich, »muss ein großer Schock für Sie gewesen sein.«
    »Oh, ja, Sir. Das werde ich niemals vergessen.« Der Diener wurde auf einmal beredt. Die Worte strömten nur so von seinen Lippen. Vielleicht hatte er das Gefühl, durch häufige Schilderung den Vorfall aus seiner Erinnerung tilgen zu können.
    »Ich war aufräumend durchs Zimmer gegangen, Sir, Gläser und so weiter. Ich hatte mich gerade gebückt, um ein paar Oliven vom Boden aufzuheben, und da sah ich es auf dem Teppich –, einen dunklen rostbraunen Fleck. Nein, der Teppich ist nicht mehr da. Er ist in der Reinigung. Die Polizei war damit fertig. Was ist das denn nur?, dachte ich und sagte halb im Scherz vor mich hin: ›Es könnte beinahe Blut sein! Aber woher kommt es bloß? Was hat man vergossen?‹ Und dann entdeckte ich, dass es aus der Truhe gesickert war – hier an der Seite, wo ein Spalt ist. Und ich sagte, immer noch ohne mir etwas dabei zu denken: ›Was mag das nur sein?‹ Dann hob ich den Deckel hoch – so«, er machte es vor –, »und da war’s! Die Leiche eines Mannes, der mit angezogenen Beinen auf der Seite lag, als ob er schliefe. Und dieser ausländische Dolch stak in seinem Hals. Ich werde es nie vergessen, niemals! In meinem ganzen Leben nicht! Der Schock, wissen Sie, wo ich so etwas nicht erwartet hatte…«
    Er holte tief Atem.
    »Ich ließ den Deckel fallen und rannte wie besessen auf die Straße, um einen Polizisten zu holen. Glücklicherweise fand ich einen, gerade um die Ecke herum.«
    Poirot betrachtete den Mann nachdenklich. Die schauspielerische Leistung – wenn es eine war – war sehr gut. Aber er fürchtete allmählich, dass es sich um keine schauspielerische Leistung handelte, sondern dass sich alles genauso zugetragen hatte.
    »Sie haben wohl nicht daran gedacht, zunächst einmal Major Rich zu wecken?«, fragte er.
    »Es ist mir überhaupt nicht eingefallen, Sir. Bei dem Schock. Ich – ich wollte nur fort von hier«, er schluckte krampfhaft, »und Hilfe holen.«
    Poirot nickte. »Haben Sie sich vergegenwärtigt, dass es Mr Clayton war?«
    »Das hätte man eigentlich erwarten sollen, Sir, aber ich glaube nicht, dass mir das gleich klar war. Als ich mit dem Polizisten zurückkehrte, sagte ich natürlich sofort: ›Das ist ja Mr Clayton! ‹ Und er fragte: ›Wer ist Mr Clayton?‹ Und ich sagte: ›Er war gestern Abend hier.‹«
    »Aha«, sagte Poirot, »gestern Abend… Können Sie sich noch erinnern, um welche Zeit Mr Clayton hier eintraf?«
    »Nicht auf die Minute, aber ich möchte sagen, so gegen Viertel vor acht.«
    »Haben Sie ihn gut gekannt?«
    »Er und Mrs Clayton waren häufig zu Gast beim Major in den anderthalb Jahren, die ich hier beschäftigt bin.«
    »Machte er denselben Eindruck wie immer?«
    »Ich glaube wohl. Ein wenig außer Atem; aber er hatte es schließlich sehr eilig, er wollte einen Zug erreichen, wie er sagte.«
    »Er hatte sicher einen Koffer bei sich, da er doch nach Schottland fahren wollte?«
    »Nein, Sir. Wahrscheinlich hat er ein Taxi unten gehabt.«
    »War er enttäuscht, dass Major Rich nicht zuhause war?«
    »Es war ihm nicht anzumerken. Er sagte nur, er wolle ein paar Zeilen schreiben. Er trat in dieses Zimmer und ging zum Schreibtisch, während ich in die Küche zurückkehrte. Ich war mit den Sardelleneiern etwas im Rückstand. Die Küche liegt am Ende des Ganges, und dort hört man nicht viel. Ich habe nicht gehört, dass er fortging oder dass mein Herr zurückkam – und habe auch nicht darauf geachtet.«
    »Und was geschah dann?«
    »Major Rich rief mich. Er stand dort in der Tür und sagte, er habe die türkischen Zigaretten für Mrs Spence vergessen. Er bat mich, eiligst welche zu besorgen. Das tat ich dann auch und legte sie hier auf den Tisch. Natürlich nahm ich an, dass Mr Clayton inzwischen fortgegangen sei, um seinen Zug zu erreichen.«
    »Und sonst ist niemand in die Wohnung gekommen, während Major Rich nicht zuhause war und Sie sich in der Küche aufhielten?«
    »Nein, Sir, niemand.«
    »Können Sie das mit Sicherheit behaupten?«
    »Wie wäre es denn möglich, Sir? Der Betreffende hätte doch klingeln müssen.«
    Poirot schüttelte den Kopf. Wie wäre es auch möglich gewesen. Die Spences und McLaren und auch Mrs Clayton konnten, das wusste er bereits, über jede Minute ihrer Zeit Rechenschaft

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