Ein diplomatischer Zwischenfall
»so war es nicht.«
Eine knisternde Banknote wurde mit dem Geschick eines Taschenspielers Burgess in die Hand geschoben. »Oh, vielen Dank, Sir, aber das kann ich doch nicht annehmen.«
»Sie haben mir geholfen«, erklärte Poirot, »indem Sie mir dieses Zimmer zeigten und alles, was in dem Zimmer ist. Indem Sie mir zeigten, was an jenem Abend vor sich ging. Das Unmögliche ist nie unmöglich! Denken Sie daran. Ich sprach nur von zwei Möglichkeiten – das war falsch. Es gibt eine dritte Möglichkeit.«
Hier blickte er noch einmal im Zimmer umher und schauderte ein wenig. »Ziehen Sie die Vorhänge wieder auf, und lassen Sie Licht und Luft herein. Der Raum braucht das. Er bedarf einer gründlichen Reinigung. Es wird, glaube ich, noch lange dauern, bis er von dem geläutert ist, das ihn jetzt durchzieht – von dem anhaltenden Hauch des Hasses.«
Mit offenem Mund half der Diener Poirot in den Mantel und schien ganz verwirrt zu sein. Poirot, der mit Vorliebe unverständliche Äußerungen machte, ging flotten Schrittes die Treppe hinunter auf die Straße.
Sobald Poirot zuhause war, rief er Inspektor Miller an.
»Was ist eigentlich mit Claytons Koffer geschehen? Seine Frau sagte mir, er habe einen gepackt.«
»Er hat ihn im Klub beim Portier abgegeben und dann wohl vergessen.«
»Was enthielt er?«
»Na, das Übliche. Pyjama, ein Hemd zum Wechseln und Toilettensachen.«
»Sehr gründlich.«
»Was haben Sie denn darin vermutet?«
Poirot ging nicht auf die Frage ein, sondern sagte:
»Was den Dolch angeht, so möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, der Putzfrau habhaft zu werden, die Mrs Spences Haus reinigt, und sie zu fragen, ob sie jemals einen solchen Gegenstand dort herumliegen sah.«
»Mrs Spence?« Miller pfiff vor sich hin. »Wandern Ihre Gedanken etwa in diese Richtung? Den Spences ist der Dolch gezeigt worden, sie kannten ihn nicht.«
»Fragen Sie sie noch einmal.«
»Meinen Sie etwa – «
»Und dann lassen Sie mich wissen, was sie gesagt haben.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, was Sie entdeckt zu haben glauben.«
»Lesen Sie Othello, Miller. Studieren Sie die Charaktere in Othello. Wir haben einen davon übersehen.«
Er legte den Hörer auf. Dann wählte er Lady Chattertons Nummer, aber die Leitung war besetzt.
Ein wenig später versuchte er es noch einmal. Abermals ohne Erfolg. Er ließ seinen Diener George kommen, und gab ihm den Auftrag, die Nummer so lange anzurufen, bis er eine Antwort bekäme.
Er setzte sich in einen Sessel, streifte sorgfältig seine Lackschuhe ab, streckte seine Zehen und lehnte sich zurück.
»Ich bin alt«, sagte er vor sich hin. »Ich werde leicht müde.« Sein Gesicht erhellte sich. »Aber meine kleinen grauen Zellen funktionieren noch. Zwar langsam aber sie funktionieren. Ja, Othello. Wer hatte noch davon gesprochen? Ach ja, Mrs Spence. Der Koffer… der Schirm… die Leiche, die wie ein schlafender Mann dalag. Ein raffinierter Mord. Überlegt geplant und, wie ich glaube, mit Genuss ausgeführt!«
George meldete, dass Lady Chatterton am Apparat sei.
»Hier ist Hercule Poirot, Madame. Kann ich wohl mit Ihrem Gast sprechen?«
»Aber natürlich! Oh, Monsieur Poirot, haben Sie etwas Wundervolles geleistet?«
»Noch nicht!«, erwiderte Poirot. »Aber vielleicht kommt es noch.«
Kurz darauf ließ sich Margharitas ruhige, sanfte Stimme vernehmen.
»Madame, als ich Sie fragte, ob an jenem Abend alles im Raum an seinem Platz gewesen sei, runzelten Sie die Stirn, als ob Sie sich an etwas erinnerten. Dann entfiel es Ihnen wieder. Hätte es die Stellung des Wandschirmes sein können?«
»Der Wandschirm? Aber ja, natürlich. Er stand nicht an seinem gewohnten Platz.«
»Haben Sie an dem Abend getanzt?«
»Ja, eine Zeit lang.«
»Mit wem haben Sie vor allem getanzt?«
»Mit Jeremy Spence. Er ist ein wundervoller Tänzer. Charles tanzt auch gut, aber nicht glänzend. Er tanzte mit Linda, und hin und wieder wechselten wir. Jock McLaren tanzt nicht. Er holte die Platten hervor, sortierte sie und legte die auf, die wir uns wünschten.«
»Und später hörten Sie ernste Musik?«
»Ja.«
Es entstand eine Pause. Dann sagte Margharita:
»Monsieur, was bedeutet dies alles? Haben Sie… besteht irgendwelche Hoffnung?«
»Ist Ihnen eigentlich jemals bewusst, Madame, was die Menschen Ihrer Umgebung fühlen?«
Aus ihrer Stimme klang leichte Überraschung, als sie sagte:
»Ich – glaube wohl.«
»Ich glaube nicht. Ich glaube, Sie haben nicht die leiseste
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