Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
Ahnung. Das ist die Tragödie Ihres Lebens. Aber eine Tragödie für die anderen – nicht für Sie. Heute erwähnte jemand mir gegenüber Othello. Ich fragte Sie, ob Ihr Gatte eifersüchtig sei, und Sie erwiderten, das müsse er wohl sein. Aber Sie sagten es ganz sorglos. Sie sagten es, wie Desdemona es gesagt haben würde, ohne eine Gefahr zu wittern. Desdemona erkannte ebenfalls Eifersucht, aber sie verstand sie nicht, weil sie selbst nie Eifersucht empfunden hatte oder empfinden konnte. Sie ahnte, glaube ich, nichts von der Gewalt einer heftigen physischen Leidenschaft. Sie liebte ihren Gatten mit der romantischen Glut einer Heldenverehrung, sie liebte ihren Freund Cassio als einen nahen Gefährten… Ich glaube, sie machte die Männer verrückt, wie sie selbst einer tiefen Leidenschaft nicht fähig war… Mache ich mich Ihnen verständlich, Madame?«
    Es trat eine Pause ein, und dann ertönte Margharitas Stimme kühl, lieblich, ein wenig verwirrt:
    »Ich – ich begreife nicht ganz, was Sie da sagen…«
    Poirot seufzte und sagte in nüchternem Ton:
    »Bitte erwarten Sie heute Abend noch meinen Besuch.«
     
    Inspektor Miller war nicht leicht zu überreden. Aber Hercule Poirot war auch nicht leicht abzuschütteln. Knurrend streckte Inspektor Miller schließlich die Waffen.
    »… obgleich ich nicht einsehe, was Lady Chatterton damit zu tun hat.«
    »Eigentlich nichts, sie hat nur einer Freundin Unterschlupf gewährt, das ist alles.«
    »Und die Sache mit den Spences – woher wussten Sie das eigentlich?«
    »Dass das Stilett von dort kam? Nur eine Vermutung. Eine Bemerkung, die Jeremy Spence machte, brachte mich auf die Idee. Ich deutete an, dass das Stilett wohl Margharita Clayton gehörte, und er zeigte mir, dass er mit Sicherheit wusste, dass dies nicht zutraf.« Nach einer kleinen Pause fragte er: »Was haben sie gesagt?«
    »Gaben zu, dass es sehr einem Zierdolch glich, den sie einmal besaßen. Aber er sei ihnen vor einigen Wochen abhandengekommen und sie hätten ihn ganz vergessen. Rich hat ihn ihnen wohl entwendet.«
    »Ein Mann, der gern sichergeht, dieser Mr Jeremy Spence«, bemerkte Poirot. Dann murmelte er vor sich hin: »Vor einigen Wochen… Ja, ja, das Planen begann vor langer Zeit.«
    »Hm? Wie meinten Sie?«
    »Wir sind da«, sagte Poirot, als das Taxi vor Lady Chattertons Haus in der Cheriton Street hielt, und entlohnte den Chauffeur.
    Margharita Clayton wartete oben im Zimmer auf sie.
    Ihre Züge verhärteten sich, als sie Miller sah.
    »Ich wusste nicht – «
    »Sie wussten nicht, wer der Freund ist, den ich mitzubringen beabsichtigte?«
    »Inspektor Miller zählt nicht zu meinen Freunden.«
    »Das hängt ganz davon ab, ob Sie Gerechtigkeit ausgeübt sehen wollen oder nicht, Mrs Clayton. Ihr Gatte ist ermordet worden – «
    »Und nun müssen wir vom Täter reden«, warf Poirot ein.
    »Dürfen wir Platz nehmen, Madame?«
    »Ich bitte Sie«, wandte sich Poirot an seine beiden Zuhörer, »mir geduldig zuzuhören. Ich glaube jetzt zu wissen, was an jenem verhängnisvollen Abend in Major Richs Wohnung geschah. Wir sind alle miteinander von einer falschen Annahme ausgegangen – von der Annahme, dass nur zwei Personen die Gelegenheit hatten, Mr Clayton in der Truhe zu verstecken, nämlich Major Rich und William Burgess. Aber wir haben uns geirrt – es war eine dritte Person in der Wohnung, die eine ebenso gute Möglichkeit hatte.«
    »Und wer war das?«, fragte Miller skeptisch. »Der Liftboy?«
    »Nein. Arnold Clayton.«
    »Was sagen Sie da? Er hat seine eigene Leiche versteckt?«
    »Natürlich nicht seinen toten, sondern seinen lebenden Körper. Mit anderen Worten: Er hat sich in der Truhe versteckt. Ein Vorkommnis, das sich im Laufe der Geschichte oft wiederholt hat. Mir kam dieser Gedanke, sobald ich sah, dass man ganz kürzlich Löcher in die Truhe gebohrt hatte. Warum nur? Nun, damit genügend Luft in der Truhe vorhanden war. Und warum war der Wandschirm an jenem Abend verrückt worden? Um die Truhe vor den Personen im Raum zu verbergen, damit der versteckte Mann von Zeit zu Zeit den Deckel heben, seine verkrampften Glieder lockern und besser hören konnte, was gesagt wurde.«
    »Aber warum?«, fragte Margharita mit vor Staunen geweiteten Augen. »Was sollte Arnold veranlasst haben, sich in der Truhe zu verstecken?«
    »Das fragen Sie, Madame? Ihr Gatte war ein eifersüchtiger Mann. Aber er war sehr verschlossen. ›Zugeknöpft‹, wie Ihre Freundin, Mrs Spence, sich ausdrückte. Seine

Weitere Kostenlose Bücher