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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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klare und deutliche Worte zu finden, gleich verflüchtigte. Er war erstaunt, wie ruhig, zufrieden und elegant das Paar sich zeigte. Ismael war sportlich gekleidet, mit einem Seidentuch um den Hals und Slippern, die wie angegossen sitzen mussten; seine Lederjacke passte perfekt zu dem Hemd mit dahinschwindendem Kragen, aus dem ein fröhliches, frisch rasiertes und zart nach Anis duftendes Gesicht hervorschaute. Noch außergewöhnlicher aber war Armidas Verwandlung. Sie schien gerade erst den Händen der erfahrensten Stylisten entschlüpft. Ihr ehemals schwarzes Haar war nun kastanienbraun, und eine anmutige Dauerwelle war an die Stelle der glatten Haare getreten. Sie trug ein luftiges Ensemble mit Blümchenmuster, dazu ein lila Schultertuch und halbhohe Pumps in gleicher Farbe. Alles an ihr, die gepflegten Hände, die mattrot lackierten Fingernägel, die Ohrringe, das Goldkettchen, die Brosche über der Brust und selbst ihre ungezwungene Art – fürs Küsschen hatte sie Rigoberto die Wange hingehalten –, alles entsprach einer Dame, die ihr Leben unter kultivierten, reichen Menschen verbracht hatte, hingegeben der Pflege ihres Körpers wie ihrer Garderobe. Auf den ersten Blick war keine Spur mehr von der ehemaligen Hausangestellten zu erkennen. Hatte sie die Flittermonate in Europa darauf verwandt, Unterricht in Umgangsformen zu nehmen?
    Gleich nach der Begrüßung führten sie ihn in den Salon neben dem Esszimmer. Durch das große Terrassenfenster war der Garten mit seinen Geranien, Bougainvilleen, Engelstrompeten und Wundersträuchern zu sehen. Rigoberto bemerkte, dass neben dem Couchtisch mit Tassen, Kaffeekanne, Keksen und Gebäck mehrere größere und kleinere Päckchen lagen, so liebevoll wie farbenfroh eingeschlagen und mit hübschen Schleifen gebunden. Ob das Geschenke waren? Ja. Ismael und Armida hatten sie für Rigoberto, Lucrecia, Fonchito und sogar Justiniana mitgebracht, zum Dank für das Wohlwollen, das sie,sagten sie, dem Brautpaar entgegengebracht hätten: Hemden und ein Seidenpyjama für Rigoberto, Blusen und Schultertücher für Lucrecia, Sportsachen und Turnschuhe für Fonchito, Kittelschürzen und Sandalen für Justiniana, dazu noch Gürtel, Manschettenknöpfe, Taschenkalender, handgefertigte Notizbücher, Grafiken, Schokolade, Kunstbücher und eine galante Zeichnung, aufzuhängen im Badezimmer oder an einem anderen intimen Ort.
    Sie sahen jünger aus, selbstsicher, glücklich und so überaus gelassen, dass Rigoberto sich von der Ruhe und guten Laune der Frischvermählten anstecken ließ. Ismael musste sich seiner Sache allerdings sehr sicher sein, als könnten die Machenschaften seiner Söhne ihm nichts anhaben. Und genau wie er es bei jenem Mittagessen im La Rosa Náutica vorausgesagt hatte, gab er bestimmt mehr aus als sie, um ihre Intrigen zu vereiteln. Dann hatte er also alles unter Kontrolle. Zum Glück. Wozu sich noch Sorgen machen? Jetzt, wo Ismael in Lima war, hätte der Ärger mit den Hyänen bald eine Ende. Vielleicht ja mit einer Versöhnung, wenn sein Exchef sich überwand und diesen Spinnern etwas mehr Geld in den Rachen warf. Mit all den Tricksereien, die ihm so zu schaffen machten, wäre es in wenigen Tagen vorbei, und er hätte wieder sein heimliches Leben, seinen zivilisierten Raum. Meine Souveränität und meine Freiheit, dachte er.
    Nach dem Kaffee hörte sich Rigoberto ein paar Anekdoten von der Reise des Brautpaars durch Italien an. Armida, deren Stimme er, soweit er sich erinnerte, vorher kaum je gehört hatte, war auf einmal richtig wortgewandt. Sie plauderte unbefangen, mit geradezu korrektem Satzbau und unglaublichem Humor. Nach einer Weile zog sie sich zurück, »dann können die Herren von ihren wichtigen Sachen sprechen«. Nie in ihrem Leben, sagte sie, habe sie Mittagsschlaf gehalten, doch jetzt habe Ismael ihr beigebracht, sich nach dem Essen für ein Viertelstündchen mit geschlossenen Augen hinzulegen, und tatsächlich fühle sie sich am Nachmittag dank dieser kleinen Ruhepause bestens.
    »Mach dir keine Sorgen, mein lieber Rigoberto«, sagte Ismael, kaum dass sie allein waren, und klopfte ihm auf die Schulter. »Noch eine Tasse Kaffee? Ein Gläschen Cognac?«
    »Ich bin froh, dich so zu sehen, Ismael, das blühende Leben«, Rigoberto schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich bin froh, dass es euch beiden so gut geht. Wirklich, du und Armida, ihr seht glänzend aus. Ein deutliches Zeichen, dass es mit der Ehe prächtig läuft. Ich freue mich sehr, natürlich. Aber

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