Ein diskreter Held
…«
»Aber diese beiden Satansbraten sind eine Plage, ich weiß«, beendete Ismael Carrera den Satz, tätschelte ihn und lächelte ihm wie dem Leben weiter zu. »Du kannst unbesorgt sein, Rigoberto, glaub mir. Jetzt bin ich hier und kümmere mich um alles. Ich weiß, wie man solche Probleme anpackt und löst. Ich bitte dich tausendmal um Entschuldigung für all die Unannehmlichkeiten, die dir deine Großzügigkeit eingebracht hat. Morgen arbeite ich den ganzen Tag mit Claudio Arnillas und den Anwälten aus seiner Kanzlei an der Sache. Die Gerichtverfahren und den anderen Ärger schaffe ich dir vom Hals, versprochen. Aber jetzt setz dich und hör zu. Ich habe Neuigkeiten, und die betreffen auch dich. Trinken wir nun ein Schlückchen, mein Bester?«
Er selbst beeilte sich, die beiden Cognacgläser einzuschenken. Er hob das seine, und nachdem sie angestoßen hatten, befeuchteten sie sich die Lippen und die Zunge mit dem Getränk, das auf dem Grund rotbraun schimmerte, im Bouquet ein Hauch von Eichenholz. Rigoberto merkte, wie Ismael ihn schelmisch beobachtete. Ein kleines, freches, spöttisches Lächeln brachte seine faltigen Äuglein in Schwung. Ob er sich während der Flitterwochen die dritten Zähne hatte richten lassen? Früher verrutschte ihm das Gebiss, und jetzt schien es fest im Zahnfleisch zu sitzen.
»Ich habe alle meine Aktien der Gesellschaft an die Assicurazioni Generali verkauft, die beste und größte Versicherung Italiens, Rigoberto«, rief er, breitete die Arme aus und lachte schallend. »Du kennst sie gut, nicht wahr? Wir haben öfter mit denen zusammengearbeitet. Sie hat ihren Hauptsitz in Triest,ist aber weltweit tätig. Seit langem schon wollten sie auf den peruanischen Markt, ich habe die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Ein hervorragendes Geschäft. Du siehst also, meine Hochzeitsreise war nicht nur Vergnügen. Auch Arbeit.«
Er juchzte, froh und glücklich wie ein Kind, das die Geschenke vom Weihnachtsmann aufmacht. Rigoberto hatte die Nachricht noch nicht verdaut. Vage erinnerte er sich, vor ein paar Wochen im Economist gelesen zu haben, dass die Assicurazioni Generali nach Südamerika expandieren wolle.
»Du hast die Firma verkauft, die dein Vater gegründet hat? In der du dein ganzes Leben gearbeitet hast?« Rigoberto war fassungslos. »An einen italienischen Multi? Seit wann hast du mit ihnen darüber verhandelt, Ismael?«
»Erst seit etwa sechs Monaten«, erklärte sein Freund und schwenkte ruhig sein Cognacglas. »Es waren schnelle Verhandlungen, ohne Komplikationen. Und sehr gute, das kann ich dir sagen. Ich habe ein gutes Geschäft gemacht. Lehn dich zurück und hör zu. Aus offensichtlichen Gründen musste die Sache, damit sie glücklich über die Bühne geht, vertraulich bleiben. Das war der Grund für die Wirtschaftsprüfung durch diese italienische Kanzlei, worüber du dich letztes Jahr so gewundert hast. Jetzt weißt du, was dahinterstand. Sie wollten das Unternehmen unter die Lupe nehmen. Ich habe sie weder beauftragt noch bezahlt, sondern die Generali. Da die Übertragung nun eine Tatsache ist, kann ich dir alles erzählen.«
Ismael Carrera sprach fast eine Stunde, ohne dass Rigoberto ihn unterbrach, nur hier und da bat er um eine Erläuterung. Er hörte seinem Freund zu, erstaunt über sein gutes Gedächtnis, denn ohne auch nur einmal zu stocken, breitete er vor ihm die Ereignisse in diesen Monaten der Angebote und Gegenangebote aus. Er war sprachlos. Wie konnte es sein, dass derart heikle Verhandlungen mit einer solchen Verschwiegenheit geführt wurden, dass nicht einmal er, der Generaldirektor, etwas davon mitbekam? Die Treffen der Verhandlungspartner hatten in Lima, Triest, New York und Mailand stattgefunden, zusammen mit Anwälten, Hauptaktionären, Bevollmächtigten, Beratern und Bankern aus verschiedenen Ländern, nur die peruanischen Angestellten von Ismael Carrera blieben fast sämtlich ausgeschlossen und selbstverständlich Miki und Schlaks. Die Zwillinge, denen Don Ismael ihr Erbe ausbezahlt hatte, als er sie aus dem Unternehmen warf, hatten bereits einen Großteil ihrer Aktien verkauft, und erst jetzt erfuhr Rigoberto, dass derjenige, der sie ihnen über Strohmänner abgekauft hatte, Ismael selbst war. Die Hyänen hielten noch ein kleineres Aktienpaket, und jetzt würden sie zu Minderheitsaktionären (besser gesagt: Mini-Aktionären) der peruanischen Tochtergesellschaft von Assicurazioni Generali. Wie sie wohl reagierten? Ismael machte ein verächtliches
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