Ein diskreter Held
für reine Zeitverschwendung, bloß dumme Fragen zu seinen Funktionen und Kompetenzen als Generaldirektor der Versicherungsgesellschaft, auf die er mit den entsprechenden Auskünften und ebensolchen Dummheiten antworten würde. Doch diesmal erlebte er eine Überraschung, denn die Zwillinge hatten den Schraubstock weiter angezogen, hatten nicht nur, unter dem Vorwand, seine Einkünfte und möglichen Haftungen in den Jahren seiner Firmenzugehörigkeit zu überprüfen, das Ruhestandsverfahren blockiert, sondern auch noch eine gerichtliche Untersuchung angestrengt zu einer angeblichen vorsätzlichen Handlung zum Schaden der Gesellschaft, bei der er als Begünstiger und Begünstigter zugleich beteiligt gewesen sei.
Rigoberto erinnerte sich kaum noch an den Vorfall, es war schon drei Jahre her. Der Versicherungsnehmer, ein in Lima ansässiger Mexikaner, Besitzer eines kleinen Landguts und einer Fabrik für Milchprodukte im Chillón-Tal, war Opfer eines Brandes geworden, der sein ganzes Eigentum zerstörte. Nach Vorlage des Polizeigutachtens und des Gerichtsentscheidswurde er im Rahmen der Police entschädigt. Doch als er, nach Strafanzeige durch einen Mitgesellschafter, angeklagt wurde, selber den Brand gelegt zu haben, um so auf betrügerische Weise die Versicherungssumme zu kassieren, war die Person spurlos verschwunden, ohne Hinweis auf einen neuen Aufenthaltsort, und die Gesellschaft konnte sich an niemandem schadlos halten. Die Zwillinge brachten nun vor, sie hätten Beweise dafür, dass Rigoberto als Generaldirektor in der Sache auf verdächtige Weise fahrlässig gehandelt habe. Die Beweise bestanden in der Zeugenaussage eines ehemaligen, als unfähig entlassenen Firmenmitarbeiters, der angab belegen zu können, dass der Generaldirektor mit dem Betrüger unter einer Decke steckte. Das alles war an den Haaren herbeigezogen, und Dr. Arnillas, der bereits eine Gegenerklärung abgegeben hatte, in der er die Zwillinge und ihren falschen Zeugen der üblen Nachrede und Verleumdung bezichtigte, versicherte, die Anzeige würde wie ein Kartenhaus zusammenfallen, Miki und Schlaks würden wegen Ehrverletzung, Falschaussage und Irreführung der Justiz zahlen müssen.
Die Vernehmung stahl ihnen den ganzen Vormittag. Die enge, erstickende Richterstube mit ihren bekritzelten und von Reißzwecken übersäten Wänden kochte vor Hitze und Fliegengebrumm. Auf seinem mickrigen Stühlchen, auf den kaum eine Pobacke passte und der auch noch wackelte, versuchte Rigoberto die ganze Zeit, das Gleichgewicht zu halten und nicht umzukippen, während er auf die Fragen des Richters antwortete, die so willkürlich und absurd waren, dass sie, sagte er sich, kein anderes Ziel haben konnten, als ihm alle Laune, alle Zeit und alle Geduld zu nehmen. Ob Ismaels Söhne den auch geschmiert hatten? Diese Kanaillen bereiteten ihm jeden Tag neue Unannehmlichkeiten, nur damit er endlich bezeugte, dass ihr Vater, als er sein Dienstmädchen heiratete, unzurechnungsfähig war. Nach der Behinderung seines Ruhestands nun auch noch das. Die Zwillinge wussten genau, dass die Anzeige nach hinten losgehen konnte. Warum machten sie es dann? Nur aus Rachsucht, aus blindem Hass, weil er bei der Trauungmitgespielt hatte? Sie waren außer sich und verbissen sich an ihm, weil sie Ismael und Armida, die in Europa dem schönen Leben frönten, nichts anhaben konnten. Aber sie hatten sich geirrt. Einknicken würde er nicht. Es würde sich noch zeigen, wer zuletzt lachte bei diesem feinen Krieg, den sie ihm erklärt hatten.
Der Richter, ein ärmlich gekleidetes, dürres Männlein, sprach, ohne seinem Gegenüber in die Augen zu sehen, mit einer so leisen und unentschlossenen Stimme, dass Rigobertos Unwille von Minute zu Minute wuchs. Ob jemand die Vernehmung aufnahm? Offenbar nicht. Ein Sekretär hockte zwischen dem Richter und der Wand, der Kopf versunken in einer riesigen Akte, aber ein Aufnahmegerät war nicht zu sehen. Der Richter seinerseits hatte nur ein kleines Notizbuch, in das er ab und zu etwas schrieb, so rasch, dass es nicht einmal eine knappe Zusammenfassung seiner Aussage sein konnte. Die ganze Vernehmung war also eine Farce und diente nur dazu, ihn zu verbittern. Er war so gereizt, dass er sich zusammennehmen musste, um bei diesem lächerlichen Theater mitzuspielen und keinen Wutanfall zu bekommen. Als sie hinausgingen, sagte Dr. Arnillas, er solle sich lieber freuen, bei so viel Unlust, wie der Untersuchungsrichter sie bei der Befragung an den Tag gelegt habe,
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