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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Gesicht, und mit einem Schulterzucken: »Sauer natürlich. Na und?« Sollten sie doch jaulen. Beim Verkauf waren alle nationalen wie ausländischen Vorschriften eingehalten worden. Die italienischen, peruanischen und US-amerikanischen Behörden hatten die Transaktion genehmigt. Auf den Cent waren die entsprechenden Steuern entrichtet. Alles unter Dach und Fach.
    »Was sagst du dazu, Rigoberto?«, schloss Ismael Carrera und breitete wieder die Arme aus, ein Komödiant, der auf den Applaus des Publikums wartet. »Lebe ich noch oder nicht? Handle ich nicht als Geschäftsmann?«
    Rigoberto nickte. Er war irritiert, wusste nicht, was er davon halten sollte. Sein Freund schaute ihn so vergnügt wie selbstzufrieden an.
    »Jedenfalls bringst du mich immer wieder zum Staunen, Ismael«, sagte er schließlich. »Du erlebst einen zweiten Frühling, das ist nicht zu übersehen. Hat Armida dich zurückgeholt? Noch kann ich nicht begreifen, dass du die Firma, die dein Vater gegründet hat, einfach so weggibst, ein Unternehmen, das du mit Blut, Schweiß und Tränen über ein halbes Jahrhundert hinweg aufgebaut hast. Es wird dir absurd erscheinen, aber es tut mir weh, als hätte ich etwas Eigenes verloren. Und du freust dich wie ein Schneekönig!«
    »So einfach war es nicht«, sagte Ismael, nun sehr ernst. »Am Anfang hatte ich große Zweifel. Auch mich hat es geschmerzt.Aber wie die Dinge stehen, war es die einzige Lösung. Wenn ich andere Erben gehabt hätte, tja, reden wir nicht von Traurigem. Wir beide wissen genau, was passieren würde, wenn meine Söhne Eigentümer blieben. Sie hätten die Gesellschaft im Nu ruiniert. Im besten Fall unter Wert verkauft. In den Händen der Italiener wird sie weiter existieren und florieren. Und du bekommst deine Rente, ohne jede Kürzung, dazu eine Prämie, mein Bester. Ist alles geregelt.«
    Das Lächeln seines Freundes, dachte Rigoberto, war jetzt ein melancholisches. Ismael seufzte, und ein Schatten flog über seine Augen.
    »Was hast du vor mit all dem Geld, Ismael?«
    »Meine letzten Jahre glücklich und in Ruhe verbringen«, antwortete er sogleich. »Und gesund, hoffe ich. Das Leben ein wenig genießen, zusammen mit meiner Frau. Besser spät als nie, Rigoberto. Bisher habe ich nur für die Arbeit gelebt. Aber das Lied kennst du ja.«
    »Eine schöne Philosophie, der Hedonismus, Ismael«, sagte Rigoberto. »Das ist übrigens auch meine. Bisher habe ich sie in meinem Leben nur halb anwenden können. Aber ich hoffe, es dir nachzutun, wenn nur die Zwillinge mich in Frieden lassen und Lucrecia und ich endlich unsere Europareise machen können. Sie war richtig geknickt, als wir sie wegen der Klagen deiner netten Söhne abblasen mussten.«
    »Wie gesagt, morgen kümmere ich mich darum. Es ist der erste Punkt auf der Tagesordnung, Rigoberto.« Ismael stand auf. »Nach der Besprechung in der Kanzlei von Arnillas rufe ich dich an. Und dann sehen wir, wann wir mal zusammen zu Mittag oder zu Abend essen, mit Armida und Lucrecia.«
    Während er, auf das Lenkrad gestützt, nach Hause fuhr, schossen Rigoberto wie die Wasser eines Springbrunnens alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Wie viel Geld Ismael mit dem Verkauf seiner Aktien wohl gemacht hatte? Viele Millionen. Ein Vermögen. So mäßig die Geschäfte der Gesellschaft in letzter Zeit auch gelaufen waren, es war ein solides Institut, mit einem großartigen Versicherungsbestandund einem erstklassigen Ruf in Peru und im Ausland. Klar, ein Achtzigjähriger wie Ismael war nicht mehr der Richtige für die unternehmerische Verantwortung. Wahrscheinlich hatte er sein Kapital in sichere Anlagen gesteckt, Schatzanweisungen, Pensionsfonds, Stiftungen in den feinsten Steuerparadiesen, Liechtenstein, Guernsey oder Jersey. Oder, wer weiß, in Singapur oder Dubai. Allein die Zinsen würden es ihm und Armida erlauben, überall auf der Welt wie Könige zu leben. Und die Zwillinge? Ob sie sich mit den neuen Eigentümern anlegten? Bei ihrer Dummheit nicht auszuschließen. Wie Kakerlaken würden sie zerquetscht. Na und. Nein, wahrscheinlich würden sie versuchen, sich einen Teil des Geldes aus dem Verkauf unter den Nagel zu reißen. Ismael hatte es bestimmt in Sicherheit gebracht. Oder sie fanden sich mit ein paar Krümeln ab, wenn ihr Vater sich erweichen ließe, bloß damit sie aufhörten zu nerven. Dann käme alles ins Lot. Hoffentlich bald. So könnte er endlich seine Pläne verwirklichen und den Ruhestand genießen, voll der materiellen, geistigen und

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