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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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geradeaus, nickte aber entschieden.
    »Ich fahre zum Regatas und parke dort, dann können wir uns in Ruhe unterhalten. Sonst baue ich noch einen Unfall«, sagte Rigoberto.
    Beim Club parkte er in der ersten Reihe, gleich am Meer. Es war ein grauer, bewölkter Vormittag, in der Luft kreischten Möwen, Albatrosse, Kormorane. Ein schlankes Mädchen im blauen Jogginganzug machte auf dem menschenleeren Strand Yoga.
    »Sag mir nicht, du weißt, wer Armida entführt hat, Narciso.«
    Diesmal beugte sich der Chauffeur zu ihm hinüber, sah ihm in die Augen und lächelte breit. Sein blitzweißes Gebiss strahlte.
    »Keiner hat sie entführt, Don Rigoberto«, sagte er und wurde wieder ernst. »Genau darüber wollte ich mit Ihnen sprechen, ich bin nämlich ein wenig nervös. Ich wollte Armida nur einen Gefallen tun, besser gesagt, der Señora Armida. Wir waren gute Freunde, als sie bloß eine Angestellte von Don Ismael war. Mit ihr habe ich mich immer besser verstanden als mit den anderen. Sie war überhaupt nicht eingebildet, eine sehr bescheidene Frau. Wenn sie mich also um einen Gefallen bittet, im Namen unserer alten Freundschaft, wie soll ich es ihr da abschlagen. Hätten sie nicht dasselbe getan?«
    »Ich bitte dich nur um eins, Narciso«, unterbrach ihn Rigoberto. »Erzähl mir besser alles von Anfang an. Ohne irgendetwas zu verschweigen. Bitte. Aber vorher eins noch. Sie ist also am Leben?«
    »So wie Sie und ich, Don Rigoberto. Zumindest gestern noch.«
    Entgegen seiner Bitte kam Narciso nicht direkt zur Sache. Er mochte, vielleicht konnte er auch nicht anders, die Vorreden, die Randbemerkungen, die langen Einschübe, ein einziges dschungelgleiches Drumherum. Für Rigoberto war es nicht leicht, das alles in eine chronologische Ordnung zu bringen undauf einen Kern zurückzuführen. Immer wieder verlor Narciso sich in Präzisierungen und plötzlichen Abschweifungen. Dennoch erfuhr er auf diese wirre und verschlungene Weise, dass an dem Tag, als er Ismael zum letzten Mal in seinem Haus in San Isidro gesehen hatte, an jenem Abend, als es schon dunkel wurde, Narciso ebenfalls dort gewesen war, herbeigerufen von Ismael Carrera persönlich. Sowohl dieser als auch Armida dankten ihm herzlich für seine Hilfe und Loyalität und lohnten es ihm sehr großzügig. Als er dann am nächsten Tag vom plötzlichen Tod seines ehemaligen Arbeitgebers erfuhr, eilte er gleich zu der Señora, um ihr sein Beileid auszusprechen. Er hatte sogar ein Kärtchen geschrieben, da er annahm, dass sie ihn bestimmt nicht empfing. Doch Armida ließ ihn herein und wechselte ein paar Worte mit ihm. Die Ärmste war am Boden zerstört nach diesem Unglück, das Gott ihr geschickt hatte, um sie zu prüfen. Beim Abschied fragte sie Narciso dann zu seiner Überraschung, ob er ein Handy habe, auf dem sie ihn erreichen könne. Er gab ihr seine Nummer und fragte sich verwundert, wozu sie ihn wohl anrufen wollte.
    Und zwei Tage später, das heißt vorgestern, rief Armida ihn an, spät am Abend, als Narciso, nachdem er im Fernsehen Magaly gesehen hatte, gerade schon ins Bett ging.
    »Das ist ja eine Überraschung«, sagte der Chauffeur, als er ihre Stimme erkannte.
    »Früher hatte ich sie immer geduzt«, erklärte er Don Rigoberto. »Aber seit ihrer Hochzeit mit Don Ismael konnte ich das nicht mehr. Nur kam mir das Sie nicht über die Lippen. Also habe ich versucht, irgendwie unpersönlich mit ihr zu sprechen, ich weiß nicht, ob Sie verstehen, was ich meine.«
    »Vollkommen, Narciso«, beruhigte Rigoberto ihn. »Sprich, sprich weiter. Was wollte Armida?«
    »Dass du mir einen großen Gefallen tust, Narciso. Noch einen, einen riesengroßen. Um unserer alten Freundschaft willen.«
    »Klar, natürlich, sehr gerne«, sagte der Chauffeur. »Und was wäre das für ein Gefallen?«
    »Dass du mich irgendwo hinbringst, morgen Nachmittag. Ohne dass jemand davon erfährt. Würdest du das?«
    »Und wohin solltest du sie bringen?«, drängte Don Rigoberto.
    »Es war alles so geheimnisvoll«, und wieder schweifte Narciso ab. »Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, aber hinten im Garten, in der Nähe des Zimmers für die Angestellten, gibt es im Haus von Don Ismael eine kleine Dienstbotentür, sie wird fast nie benutzt. Sie geht auf die Gasse, wo abends der Müll rausgestellt wird.«
    »Ich wäre dir dankbar, wenn du beim Wesentlichen bleibst, Narciso«, insistierte Rigoberto. »Könntest du mir sagen, was Armida wollte?«
    »Dass ich dort auf sie warte, mit meiner alten Karre, den

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