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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Wort gewechselt. Vors Haus ging er nicht aus Angst, von Journalisten bestürmt zu werden und nicht zu wissen, was er auf ihre Fragen antworten sollte. Und sosehr er sich dagegen sträubte, musste er zu den verhassten Schlaftabletten greifen.
    Am frühen Morgen des vierten Tages schließlich, als Fonchito gerade zur Schule gegangen war und Rigoberto und Lucrecia sich, noch im Morgenrock, an den Frühstückstisch setzten, stand Dr. Claudio Arnillas in der Tür. Er sah aus, als hätte er eine Katastrophe überlebt, völlig übernächtigt, mit tiefen Ringen unter den Augen, Bartstoppeln, als wäre er seit drei Tagen nicht zum Rasieren gekommen, und in seiner Garderobe zeigte er eine Nachlässigkeit, die bei ihm überraschte, wo er immer so geschniegelt und gebügelt daherkam: die Krawatte verrutscht, der Hemdkragen zerknittert, einer der psychedelischen Hosenträger lose und die Schuhe ungeputzt. Er gab ihnen die Hand, entschuldigte sich, so früh einfach hereinzuschneien, und ja, einen Kaffee trinke er gerne. Kaum saß er am Tisch, erklärte er, was ihn herführte:
    »Haben Sie Armida gesehen? Haben Sie mit ihr gesprochen? Wissen Sie, wo sie ist? Seien Sie bitte ganz ehrlich zu mir. Es geht um Armida, aber auch um Sie.«
    Don Rigoberto und Doña Lucrecia schüttelten den Kopf und sahen ihn verblüfft an. Als Dr. Arnillas sah, dass seine Fragen ihnen die Sprache verschlugen, machte er ein noch deprimierteres Gesicht.
    »Dann wissen Sie also von nichts, genau wie ich«, sagte er. »Ja, Armida ist verschwunden.«
    »Die Hyänen …« Rigoberto war ganz blass. Er malte es sich schon aus, die arme Witwe entführt und vielleicht ermordet, ihre Leiche ins Meer geworfen, den Haien zum Fraß, oder auf irgendeine Müllkippe vor der Stadt, für die Geier, die streunenden Hunde.
    »Niemand weiß, wo sie ist.« Dr. Arnillas sackte in sich, niedergeschlagen. »Sie waren meine letzte Hoffnung.«
    Armida war am Tag zuvor verschwunden, auf sehr seltsame Weise, nachdem sie den ganzen Vormittag im Notariat Núñez verbracht hatte, vorgeladen genau wie Miki und Schlaks mit ihrem Rechtsdackel, dazu Arnillas und ein paar Anwälte aus seiner Kanzlei. Die Sitzung wurde um ein Uhr unterbrochen, für die Mittagspause, und sollte um vier wieder aufgenommen werden. Der Fahrer und die vier Leibwächter brachten Armida zurück nach San Isidro. Zu Hause sagte sie, sie habe keinen Appetit, sie wolle sich kurz aufs Ohr legen, um für den Termin am Nachmittag ausgeruhter zu sein. Sie zog sich in ihr Schlafzimmer zurück, und um Viertel vor vier, als das Dienstmädchen an die Tür klopfte und hineinging, war das Schlafzimmer leer. Niemand hatte sie herauskommen sehen, weder aus dem Zimmer noch aus dem Haus. Alles war an seinem Platz – das Bett unberührt –, nichts deutete auf irgendeine Tätlichkeit. Weder die Leibwächter noch der Butler, noch der Chauffeur oder die beiden Dienstmädchen, die im Haus waren, hatten sie gesehen, auch nicht bemerkt, dass irgendein Fremder in der Nähe herumstrich. Dr. Arnillas sprach sofort mit den Zwillingen, fest davon überzeugt, dass sie für das Verschwinden verantwortlich waren. Doch Miki und Schlaks regten sich, entsetzt über das Vorgefallene, fürchterlich auf und beschuldigten ihrerseits Arnillas, ihnen eine Falle zu stellen. Schließlich gingen sie alle drei zusammen zur Polizei. Der Innenminister persönlich hatte sich eingeschaltet und Anweisung gegeben, vorerst Stillschweigen zu bewahren. Eine Pressemeldung gäbe es erst, wenn die Kidnapper sichmit der Familie in Verbindung setzten. Die Polizei war im Einsatz, bisher aber nicht die geringste Spur von Armida oder den Entführern.
    »Das waren sie, die Hyänen«, sagte Lucrecia. »Sie haben sie alle gekauft, die Leibwächter, den Chauffeur, die Dienstmädchen. Sie, wer sonst.«
    »Das habe ich am Anfang auch geglaubt, Señora, aber ich bin mir nicht mehr so sicher«, erklärte Dr. Arnillas. »Das passt ihnen nämlich überhaupt nicht, dass Armida verschwunden ist, erst recht nicht zu diesem Zeitpunkt. Die Gespräche beim Notar waren auf keinem schlechten Weg. Eine Vereinbarung zeichnete sich ab, sie konnten etwas mehr bekommen von der Erbschaft. Aber das hängt ausschließlich von Armida ab. Ismael hat alles bestens verzurrt. Der größte Teil seines Vermögens ruht auf Offshore-Konten, in den sichersten Steuerparadiesen der Welt. Wenn die Witwe verschwindet, bekommt niemand auch nur einen Cent. Weder die Hyänen noch die Hausangestellten noch sonst wer.

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