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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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ganzen Nachmittag. Bis sie kommt. Und ohne dass jemand mich sieht. Seltsam, nicht?«
    Narciso kam es sehr seltsam vor. Aber er tat, worum sie ihn bat, ohne weitere Fragen. Am frühen Nachmittag parkte er seine Karre in der kleinen Gasse vor dem Dienstboteneingang des Hauses von Don Ismael. Er wartete fast zwei Stunden, langweilte sich zu Tode, döste vor sich hin oder hörte die Witze im Radio, beobachtete die streunenden Hunde, die in den Müllsäcken wühlten, fragte sich immer wieder, was das Ganze sollte. Warum machte Armida so ein Getue, um ihr Haus zu verlassen? Warum nicht, wie es sich für sie gehörte, in ihrem Mercedes Benz, mit dem neuen Chauffeur in seiner Livree und den kräftigen Leibwächtern? Warum heimlich und in der Karre von Narciso? Schließlich ging die kleine Tür auf, und Armida erschien mit einem Handkoffer.
    »Na endlich, ich wollte gerade schon wieder fahren«, sagte Narciso zur Begrüßung und hielt ihr die Wagentür auf.
    »Los, schnell, Narciso, bevor uns jemand sieht«, sagte sie. »Nun gib schon Gas.«
    »Sie hatte es unglaublich eilig, Don Rigoberto«, erklärte der Chauffeur. »Und da habe ich mir wirklich Sorgen gemacht und sie gefragt, warum so geheimnisvoll, Armida?«
    »Sieh an, jetzt nennst du mich wieder Armida und duzt mich«, lachte sie. »Wie in den alten Zeiten. Gut so, Narciso.«
    »Bitte vielmals um Entschuldigung«, sagte der Chauffeur. »Ich weiß, ich muss Sie siezen, jetzt, wo Sie eine vornehme Dame sind.«
    »Red keinen Quatsch und sag einfach du, ich bin dieselbe wie immer«, sagte sie. »Du bist nicht mein Fahrer, sondern mein Freund und Kumpel. Weißt du, was Ismael über dich gesagt hat? ›Dieser Schwarze ist mit Gold nicht aufzuwiegen.‹ Die reine Wahrheit, Narciso. So ist es.«
    »Sagst du mir wenigstens, wohin ich dich bringen soll?«, fragte er.
    »Das Kreuz von Chalpón? Die Busgesellschaft?« fragte Don Rigoberto verwundert. »Sie wollte verreisen? Armida wollte einen Bus nehmen, Narciso?«
    »Das weiß ich nicht, aber dort habe ich sie hingebracht, zu diesem Busbahnhof«, bestätigte der Chauffeur. »Ich sagte ja bereits, sie hatte einen kleinen Koffer dabei. Ich nehme an, sie wollte verreisen. Zu mir sagte sie, ich solle keine Fragen stellen, und das habe ich auch nicht.«
    »Am besten vergisst du das alles, Narciso«, sagte Armida und gab ihm die Hand. »Es ist besser für mich und besser für dich. Es gibt böse Menschen, die mir etwas antun wollen, auch allen meinen Freunden. Du weißt, wer sie sind. Du hast mich nicht gesehen, hast mich nicht hierher gebracht, weißt nichts von mir. Ich werde dir niemals vergelten können, was ich dir schulde, Narciso.«
    »Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen«, sagte der Chauffeur. »Die Stunden vergingen, und ich bekam es immer mehr mit der Angst, glauben Sie mir. Immer mehr. Nach dem Schrecken, den mir die Zwillinge eingejagt haben, jetzt auch noch das. Deshalb habe ich Sie angerufen, Don Rigoberto. Und kaum lege ich auf, höre ich in den Nachrichten, dass die Señora Armida verschwunden ist, dass man sie entführt hat. Ich zittere immer noch.«
    Rigoberto gab ihm einen Klaps auf die Schulter.
    »Du bist ein zu guter Mensch, Narciso, deshalb kriegst du so oft einen Schrecken. Jetzt hast du wieder den Ärger am Hals. Ich fürchte, du musst zur Polizei und die Geschichte erzählen.«
    »Nie im Leben, Don Rigoberto«, sagte Narciso. »Ich weiß nicht, wo Armida hin ist, und auch nicht, warum. Wenn etwas passiert ist, werden sie nach einem Schuldigen suchen. Ich bin der perfekte Schuldige, das ist doch klar. Ehemaliger Chauffeur von Don Ismael, Komplize der Señora. Und dann auch noch dunkelhäutig. So verrückt bin ich nicht.«
    Das stimmte, dachte Rigoberto. Bliebe Armida verschwunden, müsste Narciso die Sache ausbaden.
    »Ja, wahrscheinlich hast du recht«, sagte er. »Erzähl niemandem, was du mir erzählt hast. Ich weiß auch nicht, was ich dir raten kann, aber lass mich überlegen, mir fällt schon etwas ein. Außerdem kann Armida jeden Moment wieder auftauchen. Ruf mich morgen an, so wie heute, zur Frühstückszeit.«
    Er setzte Narciso auf dem Parkplatz beim La Rosa Náutica ab und fuhr zurück nach Barranco, gleich in die Garage, um den Journalisten auszuweichen, die sich weiter an den Eingängen des Gebäudes drängten. Es waren doppelt so viele wie vorher.
    Lucrecia und Justiniana saßen immer noch wie betäubt vor dem Fernseher. Verblüfft hörten sie seinen Bericht.
    »Die reichste Frau Perus, und

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