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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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breithüftig, barfuß, und sah ihn mit ihren bohrenden großen Augen kommen.
    »Mensch, Felícito, dass man dich mal wieder sieht«, grüßte sie und winkte. »Ich dachte schon, du hättest mich vergessen.«
    »Adelaida, du weißt genau, dass du meine beste Freundin bist und dass ich dich nie vergesse«, sagte er, gab ihr die Hand und einen liebevollen Klaps auf die Schulter. »Ich hatte viele Schwierigkeiten in letzter Zeit, du wirst davon gehört haben. Aber hier bin ich. Ob du mich wohl auf ein Gläschen von deinem schön frisch gefilterten Wasser einlädst? Ich komme um vor Durst.«
    »Aber natürlich, nur herein und setz dich, Felícito, ich bringe dir ein Glas, sofort.«
    Im Gegensatz zur Hitze draußen war es im Innern von Adelaidas Laden, getaucht ins Halbdunkel und die übliche Ruhe, recht kühl. Von seinem Korbschaukelstuhl aus betrachtete er die Spinnweben, die Regale, die Tischchen mit Schachteln voller Stecknadeln, Knöpfe, Schmucksteine, die Kräuterbüschel, die Heiligenbildchen, die Rosenkränze, die Jungfrauen und Christusse aus Gips und aus Holz in allen Größen, die Lichter und Kerzen, während er darauf wartete, dass die Santera zurückkam. Ob Adelaida Kundschaft hatte? Soweit er sich erinnerte, hatte er, wann immer er hergekommen war, und das war oft gewesen, nie jemanden gesehen, der etwas kaufte. Mehr als ein Laden schien dieser Raum eine kleine Kapelle zu sein. Fehlte nur der Altar. Wann immer er hier war, verspürte er dieses Gefühl von Frieden, wie er es von früher kannte, sehr viel früher, wenn Gertrudis ihn, in den ersten Jahren ihrer Ehe, zur Sonntagsmesse in die Kirche schleifte.
    Er trank genüsslich das Wasser vom Filterstein, das Adelaida ihm reichte.
    »Eine unglaubliche Geschichte, Felícito«, sagte die Santera und schenkte ihm einen mitleidigen Blick. »Deine Geliebte und dein Sohn unter einer Decke, um dich auszunehmen. Mein Gott, was für hässliche Dinge es auf der Welt gibt! Ein Glück, dass man die beiden eingesperrt hat.«
    »Das ist alles vorbei, und weißt du was, Adelaida? Es macht mir nichts mehr aus.« Er zuckte mit den Schultern und verzog den Mund. »Das Ganze liegt hinter mir, und mit der Zeit werde ich es vergessen. Ich will nicht, dass es mir das Leben vergiftet. Jetzt werde ich mich mit Leib und Seele daranmachen, Transportes Narihualá voranzubringen. Bei all dem Ärger habe ich das Unternehmen, von dem ich lebe, vernachlässigt. Und wenn ich mich nicht darum kümmere, geht es vor die Hunde.«
    »So gefällst du mir, Felícito, Schwamm drüber und an dieArbeit!«, rief die Santera. »Du bist immer jemand gewesen, der nicht kapituliert, der bis zum Ende kämpft.«
    »Weißt du was, Adelaida?«, sagte Felícito. »Die Eingebung, die du das letzte Mal hattest, als ich bei dir war, sie hat sich erfüllt. Es ist etwas Außergewöhnliches passiert, so wie du gesagt hast. Im Moment kann ich dir noch nicht mehr sagen, aber sobald ich kann, erzähle ich es dir.«
    »Ich möchte nicht, dass du mir etwas erzählst.« Die Wahrsagerin wurde sehr ernst, und ein Schatten flog über ihre Augen. »Das interessiert mich nicht, Felícito. Du weißt genau, dass ich es nicht mag, wenn mir diese Eingebungen kommen. Leider passiert mir das mit dir immer. Wie es scheint, rufst du sie hervor, che guá .«
    »Ich hoffe, ich inspiriere dich zu keiner mehr, Adelaida.« Felícito lächelte. »Mir ist nicht nach weiteren Überraschungen zumute. Ab heute will ich ein ruhiges und geordnetes Leben haben und mich meiner Arbeit widmen.«
    Sie schwiegen eine Weile still, hörten die Geräusche von der Straße. Das Hupen und die Motoren der Autos und Lastwagen, die Rufe der fliegenden Händler, die Stimmen und das Hin und Her der Passanten, alles drang herein wie besänftigt von der Ruhe dieses Ortes. Felícito dachte, dass Adelaida, auch wenn er sie schon so viele Jahre kannte, für ihn immer noch ein großes Rätsel war. Ob sie Familie hatte? Hatte sie irgendwann einmal einen Partner gehabt? Vielleicht stammte sie aus einem Waisenhaus, war eins dieser verlassenen Kinder, aufgesammelt und aufgezogen von der öffentlichen Fürsorge, und hatte danach immer allein gelebt, mutterseelenallein, ohne Eltern, ohne Geschwister, ohne Mann und ohne Kinder. Er hatte Adelaida nie von Verwandten sprechen hören, nicht einmal von Bekannten. Vielleicht war Felícito die einzige Person in Piura, die Adelaida einen Freund nennen konnte.
    »Sag mir eins, Adelaida«, fragte er. »Hast du mal in Huancabamba gelebt?

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