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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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und in diesem Hauskleid und den alten Schlappen, das Haar mit einem einfachen Tuch zusammengebunden, kam sie ihm sehr viel weniger attraktiv vor als die Mabel in seiner Erinnerung.
    »Setz sich, dann unterhalten wir uns ein wenig.« Er deutete auf einen der Sessel. »Ich bin nicht hier, um dir Vorwürfe zu machen, auch nicht, um Rechenschaft zu verlangen. Ich werde dir nicht deine Zeit stehlen. Wir müssen ein paar Dinge regeln, wie du weißt.«
    Sie war blass. Presste die Lippen so fest aufeinander, dass sich ihr Gesicht zu einer Grimasse verzog. Er sah, wie sie nickte und sich auf die Sesselkante setzte, die Arme vor dem Bauch verschränkt, als wollte sie sich schützen. In ihren Augen war Unsicherheit, Angst.
    »Praktische Dinge, die wir nur unter uns regeln können«, fügte er hinzu. »Fangen wir mit dem Wichtigsten an. Dem Haus hier. Laut Vereinbarung mit der Eigentümerin ist die Miete halbjährlich zu zahlen. Bis Dezember ist bezahlt. Ab Januar geht es auf deine Rechnung. Der Vertrag läuft auf deinen Namen, du bist also frei. Du kannst ihn verlängern oder kündigen und ausziehen. Entscheide du.«
    »In Ordnung«, flüsterte sie mit kaum hörbarer Stimme. »Ich habe verstanden.«
    »Dein Konto bei der Crédito.« Er fühlte sich nun sicherer, jetzt, wo er sah, wie zerbrechlich und verängstigt Mabel war. »Es läuft auf deinen Namen, auch wenn ich dafür bürge. Aus verständlichen Gründen kann ich dir diese Sicherheit nichtweiter geben. Ich werde sie zurückziehen. Aber ich glaube nicht, dass man dir deswegen das Konto kündigt.«
    »Das haben sie schon«, sagte sie, und nach einem Schweigen: »Die Benachrichtigung war schon da, als ich aus dem Gefängnis kam. Es hieß, angesichts der Umstände müssten sie es auflösen. Die Bank akzeptiert nur ehrbare Kunden, polizeilich unvorbelastet. Ich soll vorbeikommen und das Guthaben in Empfang nehmen.«
    »Und, hast du schon?«
    Mabel schüttelte den Kopf.
    »Ich schäme mich.« Sie schaute zu Boden. »Alle in der Filiale kennen mich. Irgendwann in den nächsten Tagen werde ich hingehen müssen. Wenn ich kein Geld mehr habe. Für die täglichen Ausgaben habe ich noch etwas im Nachttisch.«
    »In jeder anderen Bank wird man dir ein Konto eröffnen«, sagte Felícito unwirsch. »Ich glaube nicht, dass es da Schwierigkeiten gibt.«
    »In Ordnung«, sagte sie. »Ich habe es verstanden. Was noch?«
    »Ich habe heute Miguel besucht«, sagte er, mit finsterem Blick, und Mabel erstarrte. »Ich habe ihm einen Vorschlag gemacht. Wenn er einverstanden ist, den Nachnamen Yanaqué vor einem Notar zu ändern, ziehe ich alle Anzeigen zurück und bin auch kein Belastungszeuge des Staatsanwalts mehr.«
    »Heißt das, dass er freikommt?« Jetzt war sie nicht nur verängstigt, sondern entsetzt.
    »Wenn er meinen Vorschlag annimmt, ja. Sofern kein Nebenkläger sich der Klage anschließt, seid ihr frei. Oder es wird ein sehr gnädiges Urteil. Das hat mir zumindest der Anwalt gesagt.«
    Mabel hatte sich die Hand vor den Mund geschlagen.
    »Er wird sich rächen«, murmelte sie. »Nie wird er mir verzeihen, dass ich ihn bei der Polizei verraten habe. Er wird mich töten.«
    »Ich glaube nicht, dass er wegen Mordes wieder ins Gefängnis will«, sagte Felícito barsch. »Außerdem ist meine zweite Bedingung, dass er, wenn er aus dem Gefängnis kommt, Piuraverlässt und nie wieder einen Fuß auf diesen Boden setzt. So dass ich bezweifle, dass er dir etwas antut. Für alle Fälle kannst du um Polizeischutz bitten. Da du mit ihnen zusammengearbeitet hast, werden sie ihn dir gewähren.«
    Mabel weinte. Die Tränen standen ihr in den Augen, und alle Anstrengung, sie zurückzuhalten, gaben ihrem Gesicht etwas Lächerliches, Verrutschtes. Sie klammerte sich an sich selbst, als wäre ihr kalt.
    »Auch wenn du es mir nicht glaubst, aber ich hasse diesen Kerl aus tiefster Seele«, hörte er sie sagen. »Er hat mein Leben für immer zerstört.«
    Sie schluchzte und bedeckte sich das Gesicht mit den Händen. Felícito gab sich unbeeindruckt. Ob das echt ist, fragte er sich, oder bloß Theater? Er wollte es nicht wissen, es war ihm egal. Seit das alles passiert war, hatte er manchmal, trotz allem Groll und aller Wut, Momente erlebt, in denen er liebevoll an Mabel dachte, sich sogar nach ihr sehnte. Aber jetzt verspürte er nichts dergleichen. Auch keine Lust. Hätte er sie nackt in den Armen gehalten, er hätte nicht mit ihr schlafen können. Es war, als hätten sich, jetzt endlich, all die Gefühle,

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