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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Bist du zufällig dort aufgewachsen?«
    Statt einer Antwort ließ die Mulattin ein lautes Lachen erschallen, riss ihren Riesenmund mit den dicken Lippen weitauf, zeigte ihr Gebiss mit den großen, gleichmäßigen Zähnen.
    »Ich weiß schon, warum du mich das fragst, Felícito«, rief sie und lachte immer noch. »Wegen der Hexer von Las Huaringas, nicht wahr?«
    »Nicht dass du glaubst, ich würde denken, du wärst eine Hexe, ganz und gar nicht«, versicherte er. »Aber du hast, na ja, ich weiß nicht, wie ich es nennen soll, diese Fähigkeit, diese Gabe oder was auch immer, Dinge vorherzusehen, und das hat mich immer verblüfft. Schon unglaublich, che guá . Jedes Mal, wenn dir eine Eingebung kommt, geschieht genau das. Wir kennen uns jetzt schon mehr als fünfundzwanzig Jahre, nicht wahr? Und jedes Mal, wenn du mir etwas vorausgesagt hast, ist es genau so passiert. Du bist nicht wie die anderen, die einfachen Sterblichen, du hast etwas, was niemand sonst außer dir hat, Adelaida. Wenn du gewollt hättest, wärst du zu einer professionellen Wahrsagerin und damit reich geworden.«
    Während er sprach, wurde sie immer ernster.
    »Mehr als eine Gabe ist es ein Unglück, mit dem Gott mich geschlagen hat, Felícito«, seufzte sie. »Ich habe es dir schon so oft gesagt. Ich mag es nicht, dass mir plötzlich diese Eingebungen kommen. Ich weiß nicht, woher sie kommen, auch nicht, warum und wieso nur bei manchen Menschen wie bei dir. Für mich ist es auch ein Geheimnis. Zum Beispiel hatte ich nie eine Eingebung zu mir selbst. Ich habe nie gewusst, was mir morgen oder übermorgen widerfährt. Also, um auf deine Frage zu antworten, ja, ich war in Huancabamba, ein einziges Mal. Aber eins kann ich dir sagen. Mir tun sie leid, diese Leute, die dort hinaufsteigen und ausgeben, was sie haben oder nicht haben. Die glauben wollen, sie würden geheilt von den Meistern, wie sie sie nennen. Das sind Betrüger, die meisten zumindest. Reiben den Kranken mit einem Meerschweinchen über den Körper, tauchen sie in das eisige Wasser der Seen. Statt sie zu heilen, bringen sie sie manchmal mit einer Lungenentzündung um.«
    Lächelnd hob Felícito die Hände.
    »Nicht immer, Adelaida. Ein Freund von mir, Fahrer beiTransportes Narihualá, er hieß Andrés Novoa, hatte das Maltafieber, und die Ärzte im Hospital Obrero wussten nicht mehr, wie sie ihm helfen sollten. Sie hatten ihn aufgegeben. Halb tot fuhr er nach Huancabamba, und einer der Hexenmeister brachte ihn nach Las Huaringas, ließ ihn in den See steigen und gab ihm einen Trank. Als er zurückkam, war er geheilt. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, das schwöre ich dir, Adelaida.«
    »Ausnahmen mag es geben«, sagte sie. »Aber auf einen echten Heilkünstler kommen zehn Hochstapler, Felícito.«
    Sie unterhielten sich noch weiter und kamen von den Hexern, Meistern, Heilern und Schamanen von Huancabamba, die so berühmt waren, dass Menschen aus ganz Peru sie aufsuchten und zu ihren Leiden befragten, zu den Gesundbeterinnen und Santeras von Piura, diesen meist sehr einfachen, wie Nonnen gekleideten alten Frauen, die von Haus zu Haus gingen, um an den Krankenbetten zu beten. Sie begnügten sich mit ein paar Centavos in die Hand oder einem schlichten Teller Essen für ihre Gebete, die, glaubten viele, die ärztliche Behandlung ergänzten und den Kranken bei der Genesung halfen. Zu Felícitos Überraschung glaubte auch Adelaida an nichts davon. Die Gesundbeterinnen und Geistheilerinnen der Stadt waren für sie Betrügerinnen. Seltsam, dass eine Frau mit solchen Gaben, die die Zukunft mancher Menschen vorhersehen konnte, so ungläubig war, wenn es um die Heilkräfte anderer ging. Vielleicht hatte sie recht, und es gab viele clevere unter denen, die sich brüsteten, sie hätten die Fähigkeit, Kranke zu heilen. Felícito wunderte sich, als er hörte, wie Adelaida erzählte, in der jüngeren Vergangenheit habe es selbst in Piura finstere Frauen gegeben, Trösterinnen genannt, die manche Familien zu sich riefen, damit sie den Todkranken beim Sterben halfen, was sie dann auch taten, unter Gebeten, indem sie ihnen mit einem langen Fingernagel, den sie sich zu diesem Zweck am Zeigefinger wachsen ließen, die Halsschlagader durchtrennten.
    Noch mehr aber wunderte es Felícito, dass Adelaida felsenfest an die Legende glaubte, wonach die Figur des GefangenenChristus in der Kirche von Ayabaca ecuadorianische Holzschnitzer angefertigt hätten, die sich dann als Engel herausstellten.
    »Und du

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