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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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stehen.
    »Was Sie da sagen, meinen Sie nicht ernst, Hauptmann, oder wollen Sie mich für dumm verkaufen?«
    »Erzähl mir nicht, du hast nicht gemerkt, was klar auf der Hand liegt, Lituma«, sagte der Hauptmann, und der Sergeantbegriff, dass sein Chef es sehr ernst meinte, absolut überzeugt, mit einem Blick zum Himmel und unaufhörlich blinzelnd wegen der prallen Sonne, glücklich und begeistert. »Erzähl mir nicht, du hast nicht gemerkt, dass die kleine Mabel mit dem traurigen Hintern gar nicht entführt wurde. Dass sie eine Komplizin der Erpresser ist und bei dieser Farce einer Entführung mitgemacht hat, um den armen Don Felícito weichzukochen, den auch sie ausnehmen will. Erzähl mir nicht, du hast nicht gemerkt, dass der Fall, wo diese Wichser einen solchen Bock geschossen haben, praktisch gelöst ist, Lituma. Pussypinsel kann jetzt ruhig schlafen und aufhören, uns auf den Sack zu gehen. Das Bett ist gemacht. Wir müssen nur noch auf sie drauf und ihnen das Ding bis in den Rachen schieben.«
    Er warf die Kippe in den Fluss und brach, ein Kratzen unter den Achseln, in schallendes Gelächter aus.
    Lituma hatte die Mütze abgenommen und strich sich die Haare glatt.
    »Entweder ich bin noch blöder, als ich aussehe, oder Sie sind ein Genie, Hauptmann«, sagte er und ließ den Kopf hängen. »Oder Sie haben einen Sprung in der Schüssel, mit Verlaub.«
    »Ein Genie, Lituma, überzeug dich selbst, und außerdem beherrsche ich die Psychologie der Menschen«, frohlockte der Hauptmann. »Und noch etwas sage ich dir voraus. An dem Tag, an dem wir diese Gauner schnappen, und das wird sehr bald sein, reiße ich, bei Gott, meiner herzallerliebsten Josefita lecker den Arsch auf, dass sie die ganze Nacht kreischt. Es lebe das Leben!«

XII
    »Hast du den armen Narciso gefunden?«, fragte Lucrecia. »Was ist mit ihm?«
    Rigoberto nickte und ließ sich erschöpft in den Wohnzimmersessel sinken.
    »Eine einzige Odyssee«, seufzte er. »Einen schönen Gefallen hat uns Ismael da getan, Schatz, zieht uns in seine Bettgeschichten hinein und in den Schlamassel mit seinen Söhnen.«
    Die Verwandten von Ismael Carreras Chauffeur hatten sich mit ihm an der ersten Tankstelle an der Zufahrt nach Chincha verabredet, und Rigoberto fuhr die zwei Stunden über die Schnellstraße dorthin, doch als er ankam, wartete niemand auf ihn. Nachdem er sich, während Lastwagen und Busse vorbeirauschten, eine ganze Weile hatte sonnen und den Staub schlucken dürfen, den ihm ein heißer Wind von den Bergen herab ins Gesicht wehte; als er es schon leid war und sich wieder auf die Rückfahrt nach Lima machen wollte, erschien ein Junge und sagte ihm, er sei der Neffe von Narciso, ein barfüßiger kleiner Schwarzer mit so mitteilsamen wie verschwörerischen großen Augen. Was er sagte, war eine einzige Vorsichtsmaßnahme, so dass Rigoberto kaum verstand, worum es ging. Schließlich stand fest, dass die Pläne sich geändert hatten; sein Onkel Narciso erwarte ihn jetzt in Grocio Prado, an der Tür ebenjenes Hauses, wo die selige Melchorita (der Junge bekreuzigte sich, als er ihren Namen nannte) lebte, Wunder tat und gestorben war. Eine weitere halbe Stunde im Auto auf einer staubigen Landstraße voller Schlaglöcher, zwischen Weinfeldern und kleinen Obstplantagen für den Export. An der Tür des Hauses – Museum, Heiligtum – der frommen Frau, an der Plaza von Grocio Prado, erschien schließlich Ismaels Chauffeur.
    »Halb vermummt, in so einer Art Poncho mit Kapuze, damit niemand ihn erkannte, und natürlich schlotternd«, erinnerte sich Rigoberto und musste schmunzeln. »Vor Angst ist der Schwarze erbleicht, Lucrecia. Aber wer will es ihm verdenken. Die Hyänen hetzen ihn Tag und Nacht, das hätte ich so nicht gedacht.«
    Zuerst hatten sie einen Anwalt geschickt, ein Schwatzmaul eher, der ihn zu bestechen versuchte. Wenn er zum Richter gehe und sage, man habe ihn genötigt, bei der Trauung seines Arbeitgebers den Zeugen zu spielen, und seiner Ansicht nach sei der Herr Ismael Carrera an diesem Tag nicht ganz bei Verstand gewesen, dann erhalte er als Prämie zwanzigtausend Sol. Als der Schwarze antwortete, er werde darüber nachdenken, aber grundsätzlich sei es ihm lieber, keinen Umgang mit der Justiz zu haben und auch nicht mit der Regierung, erschien die Polizei bei seiner Familie in Chincha und lud ihn aufs Revier vor. Die Zwillinge hatten Anzeige gegen ihn erstattet wegen Mittäterschaft bei verschiedenen Delikten, darunter Verschwörung und

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