Ein diskreter Held
sie sich zu ihrem Geliebten:
»Sie haben ein Lösegeld verlangt? Das hast du mir gar nicht erzählt, Herzchen.«
»Sie haben kein Lösegeld verlangt«, erklärte er und küsste ihre Hand. »Sie haben dich entführt, um mich zu zwingen, Ihnen für Transportes Narihualá Schutzgeld zu zahlen. Ich habe ihnen weisgemacht, dass ich auf ihre Erpressung eingehe. Ich musste eine Anzeige in El Tiempo aufgeben und dem Gefangenen Christus von Ayabaca für ein Wunder danken. Es war das Zeichen, auf das sie warteten. Deshalb haben sie dich freigelassen.«
Lituma sah, wie Mabel erneut blass wurde. Sie zitterte, und wieder klapperten ihr die Zähne.
»Soll das heißen, du zahlst ihnen das Schutzgeld?«, stammelte sie.
»Nie im Leben.« Don Felícito schüttelte den Kopf und wedelte mit den Händen. »Das niemals.«
»Dann werden sie mich also töten«, murmelte Mabel. »Und dich auch, Herzchen. Was wird jetzt aus uns, Señor? Werden sie uns beide umbringen?«
Sie brach in Schluchzer aus, die Hände vor dem Gesicht.
»Keine Sorge, Señora. Sie stehen vierundzwanzig Stunden am Tag unter Polizeischutz. Nicht sehr lange, das wird nicht nötig sein, Sie werden sehen. Die Tage dieser Kerle sind gezählt.«
»Nicht weinen, Liebling, nicht weinen«, tröstete sie Don Felícito, streichelte sie, umarmte sie. »Ich schwöre, dir wird nie wieder etwas Böses geschehen. Nie wieder. Das schwöre ich dir, mein Schatz, du musst mir glauben. Das Beste wird sein, dass du für ein Weilchen die Stadt verlässt, doch, hör auf mich.«
Hauptmann Silva stand auf, und Lituma tat es ihm nach. »Sie bekommen Polizeischutz rund um die Uhr«, versicherte ihr der Kommissar zum Abschied noch einmal. »Seien Sie beruhigt, Señora.« Weder Mabel noch Felícito begleiteten sie zur Tür, sie blieben im Wohnzimmer sitzen, sie wimmernd, er tröstend.
Draußen erwartete sie eine Bruthitze und das übliche Schauspiel: zerlumpte Bengel, die den Ball traten, ausgehungerte Hunde, Abfallberge an den Straßenecken, fliegende Händler und eine lange Reihe von Autos, Lastwagen, Motorrädern und Fahrrädern, die sich die Fahrbahn streitig machten. Nicht nur am Himmel gab es Rabengeier; zwei dieser Viecher waren gelandet und pickten im Müll.
»Was haben Sie für einen Eindruck, Hauptmann?«
Sein Chef zog eine Schachtel Zigaretten heraus, schwarzer Tabak, bot dem Sergeanten eine an, steckte sich selbst eine in den Mund und zündete beide mit einem alten, dunkelgrünen Feuerzeug an. Er nahm einen langen Zug und stieß den Rauch in Ringen aus. Aus seiner Miene sprach Zufriedenheit.
»Die haben sich die Karten gelegt, Lituma«, sagte er und boxte seinem Gehilfen in die Seite. »Diese Dummbacken haben ihren ersten Fehler gemacht, genau wie ich es erwartethabe. Und das war’s! Gehen wir ins El Chalán und feiern wir, ich spendiere dir einen schönen Fruchtsaft mit viel Eis.«
Er strahlte wie ein Honigkuchenpferd und rieb sich die Hände, als hätte er beim Poker, beim Würfeln oder bei einer Partie Dame abgeräumt.
»Das Geständnis der Kleinen ist Gold wert, Lituma«, fügte er hinzu und stieß entzückt den Rauch aus. »Du hast es bestimmt gemerkt, nehme ich an.«
»Gar nichts habe ich gemerkt, Hauptmann.« Lituma war verwirrt. »Meinen Sie das ernst oder wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Wo die arme Frau nicht mal ihre Gesichter gesehen hat.«
»Mensch, Kerl, was für ein schlechter Polizist du bist, Lituma, und ein noch schlechterer Psychologe«, sagte der Hauptmann, musterte ihn von oben bis unten und lachte hellauf. »Ich weiß nicht, wie du es zum Sergeanten gebracht hast, verdammt noch mal. Und dann noch zu meiner rechten Hand, das will nämlich was heißen.«
Und wie zu sich murmelte er: »Gold wert, jawohl.« Sie gingen gerade über die Hängebrücke, und Lituma sah eine Schar badender Kinder im Fluss, planschend und brüllend an den sandigen Ufern. Dasselbe hatten er und seine Cousins gemacht, die beiden Leóns, vor Ewigkeiten.
»Erzähl mir nicht, du hast nicht gemerkt, dass diese oberschlaue Mabelita kein einziges wahres Wort gesagt hat, Lituma.« Der Hauptmann war nun sehr ernst. Er saugte an seiner Zigarette und stieß den Rauch aus, als wollte er den Himmel herausfordern. In seinen Augen, in seiner Stimme schwang der Triumph. »Dass sie sich nur widersprochen und uns ein scheiß Märchen aufgetischt hat. Dass sie uns verschaukeln wollte. Verarschen. Als wären wir hier die Trottel unterm Wind, Lituma.«
Der Sergeant blieb wie angewurzelt
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