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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Entführung seines Chefs!
    »Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich woanders zu verstecken«, sagte Rigoberto. »Zum Glück hat Narciso Freunde und Verwandte in ganz Chincha. Und Ismael kann von Glück sagen, dass dieser Schwarze der ehrlichste und loyalste Kerl der Welt ist. Er hat zwar eine Heidenangst, aber ich bezweifle, dass diese beiden Lumpen ihn kleinkriegen. Ich habe ihm sein Gehalt gezahlt und noch etwas draufgelegt, für alle Fälle. Die Sache wird jeden Tag verworrener, mein Schatz.«
    Rigoberto streckte sich in seinem Sessel und gähnte, und während Lucrecia ihm eine frische Zitronenlimonade zubereitete, schaute er aufs Meer von Barranco. Es war ein Abend fast ohne Wind, in der Luft waren mehrere Gleitschirmflieger. Einer flog so nahe vorbei, dass er ganz deutlich seinen Kopf unter dem Helm sehen konnte. Blöde Sache. Ausgerechnet jetzt, wo sein Ruhestand begann. Den hatte er sich erholsamer vorgestellt, mit Kunst und Reisen, das reine Vergnügen. Aber nie kam es wie geplant, das war eine Regel ohne Ausnahme.Nie hätte er gedacht, dass er für die Freundschaft mit Ismael einmal so teuer würde bezahlen müssen. Erst recht nicht seine kleine Kulturinsel opfern. Hätte die Sonne geschienen, wäre jetzt die magische Stunde von Lima. Ein paar Minuten vollkommener Schönheit. Der Feuerball würde dort drüben, hinter den Inseln El Frontón und San Lorenzo, am Horizont versinken, den Himmel in Brand setzen, die Wolken rot färben und dieses heiter apokalyptische Schauspiel aufführen, das den Beginn der Nacht ankündigte.
    »Was hast du ihm gesagt?«, fragte Lucrecia und setzte sich neben ihn. »Armer Narciso, alles nur, weil er so gut zu seinem Chef ist.«
    »Ich habe versucht, ihn zu beruhigen.« Rigoberto nippte genüsslich an der Limonade. »Er soll keine Angst haben, habe ich ihm gesagt, weder ihm noch mir würde etwas passieren, bloß weil wir Trauzeugen waren. Das sei überhaupt nichts Strafbares. Außerdem würde Ismael siegreich aus dem Kampf mit den Hyänen hervorgehen. Diese Kampagne und das Gezeter von Schlaks und Miki hätten nicht die geringste juristische Grundlage. Und wenn er ganz beruhigt sein wolle, dann solle er die Sache mit einem Anwalt seines Vertrauens aus Chincha besprechen und mir die Rechnung schicken. Also, ich habe getan, was ich konnte. Er ist ein ganz und gar redlicher Mensch, und ich bin sicher, an dem beißen sich die Hyänen die Zähne aus. Aber das Leben machen sie ihm schwer, wohl wahr.«
    »Uns etwa nicht?«, meinte Lucrecia. »Du kannst mir glauben, seit der Spaß begonnen hat, habe ich Angst, auch nur vor die Tür zu gehen. Alle Welt fragt mich nach dem Pärchen, als wäre für die Leute in Lima nichts anderes von Bedeutung. In allen sehe ich schon einen Journalisten. Du weißt nicht, wie ich sie hasse, wenn ich ihre Dummheiten und Falschdarstellungen höre oder lese.«
    Klar ist ihr die Sache auch in die Glieder gefahren, dachte Rigoberto. Seine Frau lächelte jetzt, aber er bemerkte dieses flüchtige kleine Leuchten in ihren Augen und wie sie sich dieganze Zeit nervös die Hände rieb. Arme Lucrecia. Nicht nur die Europareise, auf die sie sich so freute, hatte sich zerschlagen. Dazu kam noch der Skandal. Und der alte Bock flitterte weiter durch Europa, ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben, während in Lima seine Sohnemänner ihm, Lucrecia und Narciso das Leben zur Hölle machten und selbst noch die Versicherungsgesellschaft auf Trab hielten.
    »Was ist mit dir, Rigoberto«, fragte Lucrecia. »Wer alleine lacht, hat etwas zu verbergen.«
    »Ich lache über Ismael«, sagte Rigoberto. »Er ist bald einen Monat auf Hochzeitsreise. Mit über achtzig! Ich habe es mir bestätigen lassen, er ist kein Siebziger, sondern in den achtzig. Chapeau! Kannst du das glauben, Lucrecia? Bei all dem Viagra geht ihm noch das Hirn flöten, und die Hyänen haben mit ihrer Anzeige, wonach es erweicht ist, am Ende recht. Armida muss ein kleines Raubtier sein. Die lutscht ihn bestimmt aus!«
    »Werd nicht vulgär, Rigoberto«, tadelte ihn seine Frau und musste lachen.
    Sie versteht es, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, dachte Rigoberto gerührt. In diesen Tagen, in denen die Einschüchterungskampagne der Zwillinge ihnen gerichtliche und polizeiliche Vorladungen und schlechte Nachrichten ins Haus schickte – die schlimmste: bei der Versicherung sabotierten sie seine vorzeitige Berentung mit einem juristischen Trick –, hatte Lucrecia nicht das kleinste Anzeichen von Schwäche

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