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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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gezeigt. Mit Leib und Seele unterstützte sie ihn in seiner Entscheidung, auf die Erpressung der Hyänen nicht einzugehen und seinem Chef und Freund gegenüber loyal zu bleiben.
    »Das Einzige, was mich stört«, sagte Lucrecia, und sie musste seine Gedanken gelesen haben, »ist, dass Ismael nicht mal anruft oder uns ein paar Zeilen schreibt. Findest du das nicht merkwürdig? Ob er wirklich weiß, welche Unannehmlichkeiten er uns bereitet? Und was der arme Narciso durchmacht?«
    »Er weiß alles«, versicherte Rigoberto. »Arnillas ist mit ihmin Kontakt und hält ihn auf dem Laufenden. Sie telefonieren jeden Tag, hat er mir gesagt.«
    Dr. Claudio Arnillas, Ismael Carreras Anwalt seit vielen Jahren, war nun der Vermittler zwischen Rigoberto und seinem ehemaligen Chef. Ihm zufolge reisten Ismael und Armida noch durch Europa, sehr bald kämen sie nach Lima zurück. Die Strategie der beiden Söhne, die Ehe annullieren zu lassen und den Vater wegen Altersdemenz für geschäftsunfähig zu erklären und zu entmündigen, könne nur krachend scheitern. Es genüge, dass Ismael persönlich erscheine, sich den entsprechenden medizinischen und psychologischen Tests unterziehe, und das ganze Verfahren breche wie ein Kartenhaus zusammen.
    »Aber dann verstehe ich nicht, warum er es nicht einfach tut, Doktor Arnillas«, rief Don Rigoberto. »Für Ismael muss dieser Skandal noch unangenehmer sein als für uns.«
    »Wissen Sie, warum?« Dr. Arnillas grinste hinterfotzig, die Daumen unter seinen psychedelisch leuchtenden Hosenträgern. »Weil er will, dass die Zwillinge weiter ausgeben, was sie nicht haben. Das Geld, das sie sich zusammenleihen müssen, um dieses Heer von Tintenklecksern zu bezahlen, die Schmiergelder, die sie der Polizei und den Richtern über den Tisch schieben. Die ledern die beiden sauber ab, ganz bestimmt, und er will, dass sie zugrunde gehen. Der Herr Carrera hat alles haarklein geplant. Können Sie sich das vorstellen?«
    Rigoberto konnte sich jetzt allerdings gut vorstellen, wie groß der Groll sein musste, den Ismael Carrera seit dem Tag verspürte, als er herausfand, dass die Hyänen ungeduldig auf seinen Tod warteten, um ihn zu beerben. Ein krankhafter Groll, unheilbar. Nie hätte er gedacht, dass der sanftmütige Ismael zu einer solchen Rachsucht fähig wäre, erst recht nicht gegenüber den eigenen Kindern. Ob Fonchito einmal so weit ginge, seinen Tod zu wünschen? Apropos, wo war der Junge überhaupt.
    »Er ist mit seinem Freund Pezzuolo los, ich glaube, ins Kino«, sagte Lucrecia. »Hast du gemerkt? Seit ein paar Tagenscheint es ihm besser zu gehen. Als hätte er Edilberto Torres schon vergessen.«
    Ja, seit über einer Woche hatte er diese mysteriöse Person nicht mehr gesehen. Das zumindest erzählte er ihnen, und bisher hatte Rigoberto seinen Sohn noch nie bei einer Lüge erwischt.
    »Die ganzen Scherereien haben uns unsere schöne Reise kaputtgemacht«, seufzte Lucrecia. Sie war auf einmal traurig. »Spanien, Italien, Frankreich. Wirklich schade, Rigoberto. Ich habe schon davon geträumt. Und weißt du, warum? Du mit deinem Planungsfimmel. Du hast sie mir in allen Einzelheiten erzählt. All die Museen, Konzerte, Theater, Restaurants. Aber was soll’s. Geduld.«
    »Ist doch nur aufgeschoben, mein Liebes«, tröstete Rigoberto sie und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. »Wenn nicht im Frühjahr, dann im Herbst. Das ist auch eine schöne Jahreszeit, die Bäume leuchten golden, und das Laub legt einen Teppich in die Straßen. Für Oper und Konzerte ist es die beste.«
    »Glaubst du, bis Oktober ist der Ärger mit den Hyänen vorbei?«
    »Sie haben kein Geld, und mit dem bisschen, was ihnen bleibt, versuchen sie die Ehe annullieren und ihren Vater entmündigen zu lassen«, sagte Rigoberto. »Das werden sie zwar nicht schaffen, aber sich ruinieren. Weißt du was? Ich hätte nie gedacht, dass Ismael in der Lage wäre, so etwas zu tun. Erstens, Armida zu heiraten. Und zweitens, eine so unerbittliche Rache zu planen, um Miki und Schlaks fertigzumachen. Man lernt die Menschen wirklich nie ganz kennen, alle sind unergründlich.«
    Sie unterhielten sich noch eine Weile, während es draußen dunkel wurde und die Stadt zu leuchten begann. Sie sahen das Meer nicht mehr, nicht den Himmel, die Nacht erfüllt von kleinen Lichtern wie von Glühwürmchen. Lucrecia erzählte Rigoberto, sie habe einen Schulaufsatz von Fonchito gelesen, der sie beeindruckte. Er ging ihr nicht mehr aus dem Sinn.
    »Sieh an, er hat ihn dir

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