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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Ungewissheiten über das Diesseits und das Jenseits, aber das sprach für ihn. Nur zu gerne hätte er ihm geholfen. Aber wie, wie sollte er.
    »So ähnlich, aber den Spott kannst du dir sparen«, sagte er. »Soll ich dir etwas sagen, Fonchito? Ich beneide die Gläubigen. Nicht die fanatischen, klar, die machen mir Angst. Die wahren Gläubigen. Die einen Glauben haben und versuchen, ihr Leben nach ihren religiösen Überzeugungen auszurichten. Ganz schlicht, ohne Aufhebens und Getue. Ich kenne nicht viele, aber einige schon. Und sie scheinen mir beneidenswert. Apropos, bist du gläubig?«
    Fonchito wurde ernst und dachte kurz nach, bevor er antwortete.
    »Ich wüsste gern mehr über Religion, niemand hat es mir beigebracht«, sagte er, nicht ohne vorwurfsvollen Unterton. »Deshalb haben wir uns, der Stups und ich, einem Bibelkreis angeschlossen. Wir treffen uns immer freitags, nach der Schule.«
    »Hervorragende Idee«, rief Rigoberto. »Die Bibel ist ein wunderbares Buch, alle sollten sie lesen, ob gläubig oder nicht. Für die Allgemeinbildung vor allem. Aber auch, um die Welt, in der wir leben, besser zu verstehen. Vieles von dem, was um uns geschieht, steht direkt oder indirekt schon in der Bibel.«
    »Wolltest du darüber mit mir sprechen, Papa?«
    »Eigentlich nicht«, sagte Rigoberto. »Ich wollte mit dir über Ismael sprechen und den Skandal, den wir am Hals haben. Die Sache ist sicher schon bis zu dir in die Schule gedrungen.«
    Fonchito lachte wieder.
    »Man hat mich tausendmal gefragt, ob es stimmt oder nicht, dass du ihm geholfen hast, seine Köchin zu heiraten, wie die Zeitungen schreiben. In den Blogs kommst du andauernd vor im Zusammenhang mit dieser Geschichte.«
    »Armida ist nie seine Köchin gewesen«, sagte Rigoberto. »Eher seine Haushälterin. Sie hat sich ums Saubermachen gekümmert und um den Haushalt, vor allem als Ismael Witwer wurde.«
    »Ich war ein paarmal bei ihm zu Hause, aber ich kann mich gar nicht an sie erinnern«, sagte Fonchito. »Sieht sie wenigstens gut aus?«
    »Sagen wir vorzeigbar«, entschied Rigoberto salomonisch. »Jedenfalls ist sie sehr viel jünger als Ismael. Glaub nicht all den Unsinn, den die Presse verbreitet. Er sei entführt worden, er sei vertrottelt, er hätte nicht gewusst, was er tat. Ismael ist bei vollem Verstand, deshalb war ich auch einverstanden, sein Trauzeuge zu sein. Natürlich ohne zu ahnen, wie groß der Ärger würde. Aber das geht schon vorbei. Ich wollte dir erzählen, dass man bei der Versicherung meinen Vorruhestand hintertreibt. Die Zwillinge haben mich angezeigt als angeblichen Komplizen bei einer Entführung, die es nie gegeben hat. Ichsitze also jetzt hier in Lima fest, mit Vorladungen und Anwälten. Das meinte ich. Es ist eine schwierige Zeit für uns, und solange das nicht geklärt ist, werden wir den Gürtel etwas enger schnallen müssen. Es wäre auch nicht gut, wenn wir die Ersparnisse aufbrauchen, denn an denen hängt die Zukunft von uns dreien. Vor allem deine. Ich wollte, dass du Bescheid weißt.«
    »Ja, klar, Papa, mach dir keine Sorgen«, sagte Fonchito aufmunternd, »du kannst auch mein Taschengeld aussetzen, bis das vorbei ist.«
    »So schlimm ist es auch wieder nicht.« Rigoberto lächelte. »Für dein Taschengeld reicht es allemal. Aber sag, was redet man so in der Schule, unter den Lehrern, den Schülern?«
    »Die allermeisten halten zu den Zwillingen, logisch.«
    »Den Hyänen? Da sieht man, dass sie die beiden nicht kennen.«
    »Sind eben Rassisten«, sagte Fonchito. »Sie verzeihen es dem Herrn Ismael nicht, dass er eine Chola geheiratet hat. Sie glauben, dass niemand, der bei Sinnen ist, so etwas tun würde und dass Armida es nur auf sein Geld abgesehen hat. Du weißt nicht, mit wie vielen ich mich schon gestritten habe, um deinen Freund zu verteidigen, Papa. Nur Pezzuolo unterstützt mich, aber mehr aus Freundschaft, nicht weil er denkt, ich hätte recht.«
    »Du verteidigst eine gute Sache, mein Junge«, Rigoberto gab ihm einen Klaps aufs Knie. »Und auch wenn niemand es glaubt, aber bei Ismael ist es eine Liebesheirat gewesen.«
    »Darf ich dir eine Frage stellen, Papa?«, fragte Fonchito auf einmal, als es schon aussah, als wollte er das Zimmer verlassen.
    »Aber natürlich, Junge, welche auch immer.«
    »Da ist etwas, was ich nicht verstehe«, begann er zögerlich. »Es betrifft dich, Papa. Du hast dich immer für Kunst interessiert, für Malerei, Musik, Bücher. Von nichts anderem sprichst du so leidenschaftlich.

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