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Ein Drama in Livland

Ein Drama in Livland

Titel: Ein Drama in Livland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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auf den Siegfried und er ihre Drohungen nicht gespart hatten? Man hat wohl bereits erraten, daß das der Sohn Dimitri Nicolefs, des Privatlehrers von Riga, war, der auf seinen Stammverwandten Gospodin ebenso zählen konnte, wie Karl auf seinen Kameraden Siegfried.
    Der Ursprung Dorpats, einer alten Hansastadt, wird dem russischen Großfürsten Jaroslaw I. zugeschrieben, manche Geschichtsschreiber wollen deren Gründung jedoch noch weiter zurück, und zwar auf das berüchtigte Jahr 1000 verlegen, mit dem das Ende der Welt kommen sollte. Herrscht also über den Zeitraum, seit welchem die Stadt, eine der hübschesten Livlands, schon besteht, einige Unsicherheit, so ist das nicht der Fall bezüglich ihrer berühmten Universität, die von Gustav Adolf 1632 gegründet und 1812 in der Weise reorganisiert wurde, wie sie noch besteht. Nach dem Urteile mancher Reisenden könnte man Dorpat für eine Stadt des alten Griechenland halten, und es scheint in der Tat so, als ob viele ihrer Häuser aus der Hauptstadt des früheren Königs Otto unmittelbar hierher versetzt worden wären.
    Dorpat ist weniger eine Stadt des Handels als eine solche der Wissenschaften, dank ihrer Universität, deren Besucher in Körperschaften oder vielmehr in »Nationen« vereinigt sind, die durch das feste Band der Landsmannschaft zusammengehalten werden. Aus dem Vorhergehenden hat man schon erkennen können, daß zwischen dem slawischen und dem germanischen Element hier dieselbe Gereiztheit herrschte, wie unter der Bevölkerung der anderen Städte Esthlands, Livlands und Kurlands. Von wirklicher Ruhe kann in Dorpat eigentlich nur in den Universitätsferien die Rede sein, wenn die Studierenden während der unerträglichen Hitze der Hundstage zu ihren Familien heimgekehrt sind.
    Ihre beträchtliche Anzahl – jener Zeit gegen neunhundert – beschäftigt ein Personal von zweiundsiebzig Professoren für die verschiedenen Zweige der Wissenschaften. Die Vorträge werden in deutscher Sprache abgehalten und es ist dafür der nicht geringe Jahresbetrag von zweihundertvierunddreißigtausend Rubeln ausgeworfen. Fast ebensoviele Bände umfaßt die reichhaltige Universitätsbibliothek, eine der wichtigsten und bestverwalteten Europas.
    Dorpat ist indes nicht ohne allen Handelsverkehr, schon infolge seiner Lage an der Kreuzung der wichtigsten Landstraßen der baltischen Provinzen, gegen zweihundert Kilometer von Riga und, in der Luftlinie, nur etwa dreihundert Kilometer von Petersburg. Dazu kommt noch, daß es ja früher eine der blühendsten Städte der Hansa gewesen ist. Zwar nur wenig entwickelt, liegt sein gesamter Handel doch in deutschen Händen. Die eigentliche, einheimische Bevölkerung, die Esthen, findet man nur als Lohnarbeiter, Handwerker oder als Dienstboten.
    Dorpat ist malerisch auf einem Hügel erbaut, der im Süden den Lauf der Embach beherrscht. Die einzelnen Stadtteile sind durch lange Straßenzüge verbunden. Lustreisende besuchen ohne Ausnahme seine Sternwarte, seine im griechischen Stile gehaltene Kathedrale, sowie die Ruinen einer Spitzbogenkirche, und niemals scheiden sie gern aus den Alleen des allgemein gepriesenen Botanischen Gartens.
    Ganz so wie das germanische Element jener Zeit unter der Einwohnerschaft Dorpats beiweitem überwog, war es auch unter den Universitätsbesuchern in großer Mehrzahl vertreten. Unter den neunhundert Studierenden gab es nur gegen fünfzig von slawischer Abkunft.
    Unter diesen nahm nun Jean Nicolef eine bevorzugte Stellung ein. Seine Kameraden betrachteten ihn, wenn auch nicht gerade als Präsidenten, so doch als den Wortführer bei allen Streitigkeiten, die die Klugheit des Rektors und seine Neigung, vermittelnd einzugreifen, doch nicht immer zu verhüten vermochten.
    Während nun heute Karl Johausen mit einigen Freunden auf dem Hofe hin und her ging, wobei diese, wir wissen in welcher Weise, sich über die Möglichkeiten einer Störung ihres Festes aussprachen, unterhielt sich eine andere Gruppe von Studenten, die nicht nur von Geburt, sondern auch mit Herz und Sinn Moskowiter waren, sich bei Seite haltend, über denselben Gegenstand.
    Einer davon, der etwa achtzehn Jahre alt und für sein Alter recht kräftig und von übermittlerer Größe war, hatte einen freien, offenen Blick, ein hübsches Gesicht und auf den Wangen einen eben aufsprossenden Bart, während seine Oberlippe schon von einem seinen Schnurrbart bedeckt war. Beim ersten Blicke machte dieser junge Mann schon einen angenehm fesselnden Eindruck,

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