Ein Drama in Livland
lastete. Nachdem er mit schwerer Arbeit und strenger Sparsamkeit schon einen Teil der väterlichen Schuld – volle siebentausend Rubel – abgetragen hatte, hatte er gehofft, auch noch den Rest allmählich tilgen zu können, und jetzt sah er sich am Verfalltage von allen Mitteln entblößt, wenn nicht etwa…
Die Herren Johausen sahen der Lösung des Knotens mit sehr verschiedenen Erwartungen entgegen.
Ging die Angelegenheit betreffend das »Umgebrochene Kreuz« zu seinen Gunsten aus, ergab Kerstorfs weitere Untersuchung des Falles noch neue Verdachtsgründe gegen den Schenkwirt, so daß dessen Schuld kaum noch zu bezweifeln war und er in Haft genommen und verurteilt würde, während die Unschuld des Lehrers durch die Verurteilung des wirklichen Schuldigen desto glänzender zutage trat, so hatten die Herren Johausen doch immer noch den Schuldschein in der Hand, den jener nicht einlösen konnte. Dann veranlaßten sie ohne Erbarmen die Exekution gegen ihn, ließen ihn das Blut Karl Johausens und alles das bezahlen, was sie durch ihn, auch an ihrer Eigenliebe, gelitten hatten, ihn, den Rivalen, der gegen den deutschen Teil der Bevölkerung die Fahne des Panslawismus entfaltete.
Zeigte es sich andernfalls, daß Dimitri Nicolef die Mittel zur Tilgung seiner Schuld besaß, so konnte er diese, ihrer Meinung nach, nur durch den Diebstahl im Kabak erlangt haben. Die Herren Johausen wußten recht gut, daß der Lehrer die siebentausend Rubel von der fünfundzwanzigtausend Rubel betragenden Gesamtschuld nur mit dem Aufgebot seiner letzten Hilfsmittel hatte abtragen können. Woher sollte er denn die rückständigen achtzehntausend Rubel nehmen, wenn er sie sich nicht auf verbrecherische Weise verschafft hatte? Übrigens würde sich Nicolef, wenn er diese Summe am Verfallstag brachte, durch die Reichskassenscheine selbst verraten, da er ja nicht wissen konnte, daß deren Nummern im Bankhause bekannt waren, und dann konnte ihm weder die Gunst der Behörden, noch das Eintreten seiner Freunde für ihn mehr etwas nützen, dann war er verloren, rettungslos verloren.
Der Vormittag des nächsten Tages verging, ohne daß Dimitri Nicolef an der Kasse der Gebrüder Johausen erschien.
Am Nachmittage gegen vier Uhr traf ein Billett der Gebrüder Johausen bei ihm ein mit der Erinnerung, die an diesem Tage fälligen achtzehntausend Rubel ohne Verzug einzuzahlen.
Da wollte es das Unglück, daß es Wladimir Yanof war, der den Mahnzettel von dem Boten in Empfang nahm… ja, das Unglück, wie es sich sogleich zeigen wird.
Wladimir nahm von dem Zettel Einsicht. Daraus ersah er, daß Nicolef, der für die Schulden seines Vaters Bürgschaft übernommen hatte, noch mit einer beträchtlichen, an die Gebrüder Johausen zu zahlenden Summe im Rückstande war.
Wladimir begriff alles, da er wußte, daß der Lehrer beim Ableben seines Vaters in großer Geldverlegenheit gewesen war, und doch die Regelung der Nachlaßangelegenheiten auf sich genommen hatte. Erwähnte er im Laufe der Jahre seiner Familie gegenüber kein Wort davon, so geschah das nur, um diese vor weiterer Sorge zu behüten, und weil er immer hoffte, durch Sparsamkeit und redliche Arbeit diese Ehrenschuld abtragen zu können.
Doch Wladimir begriff nicht nur das, sondern sofort auch, was zu tun hier seine Pflicht wäre.
Ihm kam es zu, Dimitri Nicolef, da er es konnte, zu retten. Er besaß ja jetzt eine mehr als hinreichende Summe, die zwanzigtausend Rubel, die Johann Yanof dem Lehrer zur Aufbewahrung übergeben und die ihm dieser vor kurzer Zeit in Pernau unberührt ausgeliefert hatte.
Nun gut, davon wollte er die nötigen achtzehntausend Rubel zur Ausgleichung der Schuld bei den Gebrüdern Johausen nehmen und damit Dimitri Nicolef vor dem ihm drohenden Unheil retten.
Es war jetzt die fünfte Nachmittagsstunde, und das Bankhaus schloß um sechs Uhr.
Wladimir Yanof hatte keine Minute zu verlieren. Entschlossen, von seinem Vorhaben nichts zu sagen, begab er sich nach seinem Zimmer hinauf, entnahm hier dem Schreibtische eine zur Bezahlung der Schuld hinreichende Anzahl Reichskassenscheine, ging, ohne von jemand gesehen worden zu sein, wieder hinunter und schritt auf die Haustür zu.
In diesem Augenblicke wurde die Tür geöffnet. Jean und Ilka traten zusammen ein.
»Du willst ausgehen, Wladimir? fragte das junge Mädchen, ihm die Hand bietend.
– Ja, liebe Ilka, antwortete Wladimir, ein Weg, der mich nicht lange aufhalten wird. Zum Abendessen bin ich bestimmt wieder hier.«
Wenn
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