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Ein Drama in Livland

Ein Drama in Livland

Titel: Ein Drama in Livland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ihm jetzt auch einen Augenblick der Gedanke kam, den Geschwistern mitzuteilen, was er eben tun wollte, so sah er doch davon ab. Zwang ihn nicht ein Zufall, zu sprechen, so wollte er nicht, daß die Sache noch vor seiner Verheiratung bekannt würde. Erst wenn das junge Mädchen seine Gattin wäre, sollte sie alles erfahren, und er war überzeugt von ihrer Zustimmung dazu, daß er, selbst auf die Gefahr einer Schädigung der eigenen Zukunft, ihren Vater aus seiner Bedrängnis gerettet hätte.
    »So geh’ denn, Wladimir, sagte sie, und komme rechtzeitig zurück. Ich fühle mich weit ruhiger, wenn du da bist, denn ich fürchte immer, daß mein Vater…
    – Ja, der ist trauriger und niedergeschlagener als je, erklärte Jean, dessen Augen in gerechtem Zorn aufblitzten. Diese Elenden werden ihn noch töten!… Er ist krank… kränker vielleicht, als wir annehmen.
    – Du übertreibst, Jean, erwiderte Wladimir. Dein Vater hat einen sittlichen Halt, über den seine Feinde nicht triumphieren werden.
    – Gott gebe, daß du recht hast, Wladimir!« sagte das junge Mädchen seufzend.
    Wladimir drückte ihr warm die Hand.
    »Habt nur Vertrauen, fügte er noch hinzu, in wenigen Tagen wird ja alles überstanden sein!«
    Damit ging er auf die Straße hinaus und traf zwanzig Minuten später am Bankhause der Gebrüder Johausen ein.
    Die Kasse war noch geöffnet und Wladimir trat an den betreffenden Schalter.
    Der Kassierer, an den er sich wendete, erklärte ihm, seine Angelegenheit gehe die Inhaber der Firma persönlich an, da sie diese für sich mit Dimitri Nicolef abgeschlossen hätten, und er forderte ihn auf, die Herren in ihrem Privatkontor aufzusuchen.
    Die beiden Brüder waren hier anwesend.
    »Wladimir Yanof! rief der eine, als ihm dessen Karte übergeben worden war. Der kommt wegen Nicolef!… Er wird uns um Aufschub oder um Prolongation des Wechsels bitten wollen.
    – Nein… keinen Tag, keine Stunde! erklärte Frank Johausen in einem Tone, der die Unerbittlichkeit des Mannes verriet. Morgen beantragen wir die Pfändung.«
    Von einem der Bureaubeamten unterrichtet, daß die Herren Johausen bereit seien, ihn zu empfangen, trat jetzt Wladimir Yanof in das Kontor ein.
    Hier entspann sich sofort folgendes Gespräch:
    »Meine Herren, begann Wladimir, ich komme hierher wegen einer Verbindlichkeit, die Dimitri Nicolef Ihnen gegenüber zu erfüllen hat, wegen einer Schuld, die heute fällig ist und wegen der Sie ihm schon haben eine Mahnung zugehen lassen…
    – Wie Sie sagen, antwortete Frank Johausen.
    – Die Schuldsumme, fuhr Wladimir fort, beträgt einschließlich der aufgelaufenen Zinsen achtzehntausend Rubel.
    – Ganz recht, achtzehntausend.
    – Und sie rührt von der Bürgschaft her, die Dimitri Nicolef beim Tode seines Vaters für die Befriedigung der Gläubiger des Verstorbenen übernommen hatte.
    – Ja, so ist es, bestätigte Frank Johausen, wir können aber unmöglich einen weiteren Aufschub bewilligen.
    – Wer verlangt denn von Ihnen einen solchen, meine Herren? versetzte Wladimir in etwas hochmütigem Tone.
    – O, warf der ältere der beiden Brüder ein, da wir schon am Vormittage hätten Zahlung erhalten sollen…
    – Die wird Ihnen noch heute vor sechs Uhr zugehen, unterbrach ihn Yanof, das ist wohl zeitig genug, denn ich glaube doch nicht, daß Ihre Firma wegen dieser Verzögerung um wenige Stunden schon nahe daran gewesen wäre, Konkurs anzumelden.
    – Mein Herr, rief Frank Johausen, ergrimmt über diese kalten und verletzend ironischen Worte, bringen Sie etwa die Summe von achtzehntausend Rubeln?
    – Hier ist sie, antwortete Wladimir, indem er ein Bündel Hundertrubelscheine hinhielt. Wo ist nun der Schuldschein?«
    Ebenso erstaunt wie gereizt, gaben die beiden Johausen zunächst keine Antwort. Der eine ging nur nach dem in einer Ecke des Zimmers stehenden Panzerschranke, entnahm ihm eine verschließbare Dokumentenmappe und zog aus einem ihrer Fächer den Schuldschein hervor, den er gelassen auf den Tisch legte.
    Wladimir ergriff das Papier, prüfte es sorgfältig und überzeugte sich, daß es das von Dimitri Nicolef unterzeichnete Schuldbekenntnis zugunsten der Herren Johausen war. Darauf überreichte er das Päckchen Rubelscheine.
    »Bitte, zählen Sie,« sagte er ruhig.
    Frank Johausen war sichtbar erbleicht, während Wladimir ihn mit etwas geringschätzigem Blicke ansah. Die Hand des Bankiers war unsicher, so daß er die Scheine fast zerknitterte.
    Plötzlich leuchteten seine Augen auf. Eine wilde

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