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Ein Drama in Livland

Ein Drama in Livland

Titel: Ein Drama in Livland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Nur in dem Zimmer, das Sie in der Nacht vom dreizehnten zum vierzehnten April eingenommen haben, hat man das hier entdeckt.«
    Er wies dem Lehrer dabei das Eckstück des Reichskassenscheines vor.
    »Nun, was hat es mit diesem Stückchen Papier auf sich? fragte Dimitri Nicoles.
    – Das ist der Überrest eines Reichskassenscheines, der verbrannt und auf die Asche im Kamin geworfen worden ist.
    – Eines der Bankbilletts, die aus Pochs Mappe gestohlen worden waren?
    – Das ist mindestens sehr wahrscheinlich, antwortete der Beamte, und Sie, Herr Nicolef, werden sich kaum darüber wundern, daß dieser Fund Sie zu belasten scheint.
    – Mich belasten? erwiderte der Lehrer, der wieder den früheren etwas höhnischen und verächtlichen Ton anschlug. Ich frage Sie, Herr Richter, ist denn noch immer nicht jeder Verdacht gegen meine Person entkräftet, haben auch die Erklärungen Wladimir Yanofs mich noch nicht vollständig davon befreit?«
    Kerstorf gab hierauf keine Antwort. Er faßte nur Nicolef scharf ins Auge, den unglücklichen Mann, dessen kränkliches Aussehen bezeugte, daß er sich von der Gemütserschütterung der letzten Wochen noch nicht wieder erholt hatte. Seine Prüfungszeit schien auch noch nicht zu Ende zu sein, da ja immer neue Anschuldigungen gegen ihn auftauchten.
    Dimitri Nicolef hatte sich mit der Hand über die Stirn gestrichen.
    »Dieses Überbleibsel eines Kassenscheines, sagte er, ist also auf der Feuerstatt des Zimmers gefunden worden, worin ich jene Nacht zugebracht habe?
    – Jawohl, Herr Nicolef.
    – Und das Zimmer ist seit der ersten amtlichen Besichtigung immer verschlossen gewesen?
    – Mit dem betreffenden Schlüssel; es ist auch gewiß, daß dessen Tür seither nicht wieder geöffnet worden ist.
    – Es hat also niemand dahinein gelangen können?..
    – Niemand.«
    Dem Richter schien es zu passen, daß jetzt er sich durch einen Rollenaustausch ausfragen ließ.
    »Der Bankschein hatte Blutflecke bekommen, fuhr Nicolef nach Besichtigung des Papierstückes fort, dann ist er nicht völlig verbrannt worden und man hat ihn unter der Asche aufgefunden?
    – Wie Sie sagen.
    – Wie konnte er dann aber bei der ersten Hausdurchsuchung dem Auge der Anwesenden entgehen?
    – Das vermag ich nicht zu erklären und es wundert mich selbst nicht wenig, denn offenbar hat er schon damals an derselben Stelle gelegen, da ihn seitdem niemand hat dahin bringen können.
    – Ich bin darüber nicht weniger verwundert als Sie, antwortete Dimitri Nicolef etwas ironischen Tones. Ich müßte statt verwundert eigentlich beunruhigt sagen, denn ohne Zweifel bin ich es, den man beschuldigt, den Schein in den Kamin geworfen zu haben.
    – Allerdings sind Sie das, erklärte Kerstorf.
    – Und da dieser Schein, fuhr der Lehrer noch mehr ironisch fort, zu dem Teile des Bündels gehörte, das der Bankbeamte in seiner Mappe bei sich hatte, da er nach der Ermordung Pochs aus dieser Mappe entwendet worden ist, so unterliegt es natürlich keinem Zweifel, daß als der Dieb der Reisende anzusprechen ist, der jenes Zimmer bewohnt hatte, und da ich das war, so bin ich selbstverständlich der Mörder.
    – Ja, wer könnte daran zweifeln? fragte Kerstorf, ohne Nicolef aus den Augen zu verlieren.
    – Freilich… niemand, Herr Richter. Alles stimmt ja so vortrefflich überein… der Beweis ist in schlagender Weise erbracht. Doch wollen Sie mir freundlichst erlauben, Ihrem Gedankengang den meinigen gegenüberzustellen?
    – Ich bitte darum, Herr Nicolef.
    – Das Gasthaus ‘Zum umgebrochenen Kreuze’ habe ich früh um vier Uhr verlassen. War das Verbrechen zu dieser Stunde schon begangen?… Ja, wenn ich dessen Urheber gewesen bin, nein, wenn ich dieser nicht war. Vielleicht kommt auf den Zeitpunkt nicht so viel an. Können Sie, Herr Richter, aber mit Bestimmtheit behaupten, daß der Mörder nach meinem Weggange nicht alle Maßregeln getroffen, alle Vorsicht gebraucht hätte, den Verdacht auf den Reisenden, das heißt auf mich zu lenken, daß er nicht hätte das vorher von mir benutzte Zimmer betreten und das Schüreisen darin hinstellen können; ebenso, daß er nicht Zeit gehabt hätte, den blutbefleckten, halb verbrannten Bankschein auf den Herd zu legen, und die Schrammen auf der Fensterbank einzuritzen, um den Anschein zu erwecken, daß ich… ich durch dieses hinausgestiegen wäre, um den Bankbeamten in seinem Bette zu töten?
    – Was Sie da sagen, Herr Nicolef, läuft unmittelbar auf eine Beschuldigung des Schenkwirts Kroff

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