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Ein Drama in Livland

Ein Drama in Livland

Titel: Ein Drama in Livland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Verstand…
    – Was gibt es denn? antwortete Nicoles. Noch ein neues Unglück, das zu so vielen andern hinzukommt?«
    Er sprach diese verzweiflungsvollen Worte wie einer, der auf alles gefaßt ist und den kein Schicksalsschlag mehr überraschen kann.
    »Wladimir, fuhr er fort, jetzt verlange ich von dir, daß du redest. Mich rechtfertigen?… Wegen was denn?… Du bist also gekommen, zu glauben, ich wäre…«
    Wladimir ließ ihn den Satz nicht vollenden.
    »Dimitri, sagte er, sich mit übermenschlicher Kraft beherrschend, vor einer Stunde ist eine mahnende Erinnerung hierher gekommen…
    – Natürlich von den Gebrüdern Johausen, fiel ihm Nicolef ins Wort. Du weißt also nun, in welcher Lage ich mich dem Bankhause gegenüber befinde. Ich kann die Herren nicht bezahlen… es ist eine Schuld, für die auch die Meinigen zu leiden haben werden. Du siehst also, Wladimir, daß du mein Sohn nicht werden kannst.«
    Von tiefer Bitterkeit erfüllt, gab Wladimir hierauf keine Antwort.
    »Dimitri, sagte er dann, ich habe mich verpflichtet gefühlt, dieser traurigen Lage ein Ende zu machen.
    – Du?
    – Ich besaß ja noch die Summe, die Ihr mir in Pernau ausgeliefert hattet.
    – Dieses Geld ist aber dein Eigentum, Wladimir. Es rührt von deinem Vater her. Ich habe dir nur eine von mir bisher aufbewahrte Summe übergeben.
    – Ja ja, das weiß ich… das weiß ich; und da das Geld mir gehörte, hatte ich auch das Recht, darüber zu verfügen. Ich nahm also die Kassenscheine, dieselben, die Ihr mir gebracht hattet, und bin damit nach dem Bankhause gegangen…
    – Das… das hast du getan! rief Nicolef, indem er gegen Wladimir die Arme ausbreitete. Warum hast du das getan?… Es war dein einziges Vermögen. Dein Vater hat es dir nicht hinterlassen, um damit die Schulden des meinigen zu tilgen.
    - Dimitri, antwortete Wladimir, die Stimme dämpfend, die Kassenscheine, die ich den Herren Johausen übergeben habe… diese Scheine sind dieselben, die in der Schenke ‘Zum umgebrochenen Kreuze’ aus der Mappe Pochs gestohlen worden waren und deren Nummern die Bank sich angemerkt hatte.
    – Die Kassenscheine… diese Kassenscheine?…«
    Als er die Worte wiederholte, stieß Nicolef, der sich dabei erhoben hatte, einen entsetzlichen Schrei aus, der im ganzen Hause widerhallte.
    Fast gleichzeitig wurde die Tür des Zimmers aufgerissen.
    Ilka und Jean stürzten herein.
    Als sie sahen, in welchem Zustande sich der Unglückliche befand, eilten beide auf ihn zu, während Wladimir, bei Seite stehend, das Gesicht in den Händen barg.
    Weder der Bruder noch die Schwester dachten zunächst daran, eine Erklärung zu verlangen. Vor allem galt es ihnen, ihrem Vater beizustehen, der zu ersticken drohte. Sie zwangen ihn, sich wieder zu setzen, und übrigens konnte er sich auch gar nicht mehr aufrecht halten. Seinen Lippen entwanden sich nur noch die Worte:
    »Gestohlen… die Kassenscheine gestohlen?
    – Mein Vater, rief das junge Mädchen, was ist dir geschehen?
    – Wladimir, fragte Jean, was ist vorgefallen?… Ist er von Sinnen?«
    Da erhob sich Nicolef wieder und trat auf Wladimir zu. Er ergriff dessen Hände und löste sie von seinem Gesichte. Dann begann er, nachdem er den jungen Mann gezwungen hatte, ihn gerade anzublicken, mit halb erstickter Stimme:
    »Jene Scheine, die du von mir erhalten hattest, die du nach dem Bankhause der Gebrüder Johausen gebracht hast… diese Scheine sind die selben, die aus der Mappe Pochs, des ermordeten Poch, geraubt worden waren?
    – Ja, sagte Wladimir.
    – Ich bin verloren… verloren!« stieß Nicolef hervor.
    Ohne daß sie es hätten verhindern können, drängte er seine Kinder beiseite, flüchtete aus dem Arbeitszimmer und begab sich nach seiner Wohnstube hinaus. Er schloß sich hier aber nicht ein, wie er es sonst zu tun pflegte. Eine Viertelstunde später eilte er die Treppe hinunter, öffnete die Haustür und lief, wie von Furien gepeitscht, in der Dunkelheit durch die Vorstadt hin.
    Jean und Ilka hatten von dem schrecklichen Auftritte nicht das mindeste verstanden. Die Worte: die Scheine gestohlen!… Die Kassenscheine gestohlen! konnten sie noch nicht darüber belehren, daß ihr Vater jetzt der Wucht eines greifbaren Beweises erliegen sollte.
    Sie wandten sich also wieder an Wladimir, und dieser berichtete, mit niedergeschlagenen Augen und stammelnden Tones, was er getan hätte, wie er, wo er Nicolef habe retten, aus den Händen der Herren Johausen habe befreien wollen, diesen doch nur ins

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