Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman

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Aufführung … spirituell erhabener Musik wirken würde. Ergibt das irgendeinen Sinn?»
    «Das klingt wie etwas, das von Blackwood stammen könnte. Und wenn er mit Starlight unterschrieben hat, kann der Brief eigentlich nur an Elgar gerichtet gewesen sein.»
    «Der Empfänger ist Sirius.»
    «Der Hundsstern?» Athenas Augen funkelten. «Ja! Elgar war versessen auf Hunde. Besser kann es gar nicht passen. Oh, Robinson, ich frage mich … ich frage mich …»
    Athena begann in dem Buch zu blättern, das sie aus dem Regal geholt hatte.
    «Ich glaube», sagte sie leise, «das führt uns zur Weißblatteiche.»

43 Das eine Prozent
    Hochwürden Syd Spicer schien sich in seiner eigenen Kirche unwohl zu fühlen und genauso – oder bildete Merrily sich das ein? – in seiner Soutane.
    «Er ist wieder raus, oder?»
    Spicer war blass. Das war selten zu dieser Jahreszeit. Und bei Berufssoldaten, die ständig in brütend heiße Einsatzgebiete geschickt wurden, kam es nie vor; nur bei ihren Frauen. Ein alter Witz fragte danach, woran man einen SAS -Mann erkannte – braungebrannter Mann, blasse Frau.
    «Er ist heute Vormittag ohne Anklageerhebung entlassen worden. Aber ich glaube, sie interessieren sich weiter für ihn.»
    Aus irgendeinem Grund wirkte Spicer erleichtert. Merrily schnupperte.
    «Verbrennt er hier drin Weihrauch?»
    «Nicht, wenn ich da bin. Aber sonst schon. Er oder Winnie.» Er setzte sich auf einen der Chorstühle. «Das muss aufhören.»
    «Was?»
    «Manchmal durchströmt diese Kirche eine eigenartige Energie. Man spürt es körperlich. Und manchmal riecht man den Weihrauch, auch wenn Loste seit Tagen nicht da war.»
    Merrily sah sich um. Helles Sonnenlicht fiel durch die Rautenfenster. Man fühlte sich wie in einer riesigen Steinlaterne.
    «Es hätte schon seit einiger Zeit etwas getan werden müssen», sagte Spicer. «Aber ich kann es nicht.»
    «Was hätte denn getan werden müssen?»
    «Das, was Sie tun, Merrily. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, aus denen ich Sie letztes Wochenende hierher gerufen habe. Vielleicht konnte ich es vor mir selbst noch nicht zugeben, aber hier muss etwas in Ordnung gebracht werden.»
    Sie setzte sich neben ihn. «Wollen Sie mein Selbstvertrauen stärken, oder was, Syd?»
    Er blickte ins Kirchenschiff. Merrily spürte, wie er sich beruhigte.
    «Es ist eine Technik», sagte er. «Mehr nicht. So wirke ich überzeugend. Als gehörten mindestens die Engel der niederen Klassen zu meinem Bekanntenkreis. – Ich bin nur ein abgehalfterter Soldat, Merrily, und Pfarrer zu werden war ein Fehler. Ich schaffe es nicht.»
    «Was?»
    Spicer bot Merrily eine Zigarette an.
    «Wir sind in einer Kirche.»
    «Jetzt kommen Sie mir nicht mit geistlicher Korrektheit, Merrily. Glauben Sie,
Ihn
stört das? Es geht ums Rauchen, nicht um Sex.»
    Er zündete sich eine Zigarette an und sah dem Rauch nach.
    «Beim SAS gibt es eine Art knallharten Mystizismus. So etwas findet man in keiner anderen Einheit der Armee. Es hat mit dem Überleben zu tun. Ich habe immer geglaubt, das Überleben bestünde zu neunzig Prozent aus Vorbereitung und guter Ausbildung, neun Prozent Glück und zu einem Prozent … zu einem Prozent aus etwas, das man anrufen kann, wenn der entscheidende Moment gekommen ist.»
    Merrily hörte schweigend zu.
    «Es gibt immer einen Augenblick, in dem alles nicht mehr hilft – all die Ausbildung und all die Disziplin – und man einfach nur noch Angst hat. Zuerst nur vor dem Sterben. Nicht vor dem Tod, sondern vor dem Sterben.
Wie
es passiert. Die Angst vor … der Angst selbst, schätze ich. Die Angst, sich der Angst auszuliefern. In ihr zu sterben. Zu sterben wie jemand, den man nur verachten kann. Und wenn man plötzlich mit diesem jämmerlichen Menschen konfrontiert ist – mit dem Anblick und dem Geruch der eigenen Furcht … das ist ein
abgründiger
Augenblick, Merrily.»
    Sie nickte. Sie sagte nichts. Sie kannten sich nicht, kein bisschen. Alles, was sie gemeinsam hatten, war dieses eine Prozent.
    «Also habe ich angefangen zu beten», sagte Spicer. «Und dann ist etwas passiert. Nicht die große Lichtvision oder so etwas … nur ein Verhalten, das nicht zu mir passte, und die Erkenntnis, dass ich daraus plötzlich eine unerwartete Stärke schöpfen konnte. Ich will nicht weiter darauf eingehen … außer dass ich danach dachte:
Das kann ich respektieren.
Eine Quelle der Stärke, die unendlich viel größer ist als alles, was man sich mit Hilfe einer Ausbildung aneignen