Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
die Heiden als auch für die ersten Christen hier.»
    «Die Einsiedler in ihren Klausen. Wie in Tibet.»
    «Vermutlich.»
    «Soll Longworth nicht auch eine Vision gehabt haben?»
    «Dazu habe ich eine Theorie.» Spicer setzte sich in eine Bank. «Es ist eigentlich nicht
meine
Theorie, aber es passt. Wenn man in brüchigen Felsformationen herumsteigt, sei es im Einsatz oder bei Militärmanövern, bekommt man gelegentlich gewisse Phänomene mit, die ganz besonders häufig in der Nähe von Verwerfungskanten und Brüchen in der Erdkruste auftreten. Gewöhnlich sind es Lichterscheinungen. Lichtkugeln.»
    «Haben Sie so etwas einmal gesehen?»
    «Sogar einige Male. Es ist wie ein Kugelblitz. Es sind sehr wahrscheinlich auch Kugelblitze. Die Leute schwören zwar, es wäre ein UFO gewesen, aber es sind natürliche Phänomene, glaube ich. Und so etwas hat Longworth wahrscheinlich gesehen.»
    «Gibt es denn einen Bericht über das, was er gesehen hat? Hat er es beschrieben?»
    «Das weiß ich nicht. Vielleicht hat er Elgar davon erzählt. Das sind alles Nebelkerzen, Merrily. Und ich will es loswerden. Am besten fange ich mit der Musik an.»
    «Wie meinen Sie das – welche Musik?»
    «Lostes Musik. Seine opulenten Chöre. Mir ist klargeworden, dass sie ein Teil des Problems sind. Diese Kirche ist kein Ort für solche Musik. Und ganz bestimmt kein Ort für Experimente.»
    Es war seltsam, dachte Merrily, dass ein Mann, der das Unfassbare nicht ertragen konnte, so etwas sagte. «Wenn ich Sie richtig verstehe», gab sie zurück, «sind Sie der Meinung, dass sakrale Musik eine starke,
funktionierende
spirituelle Basis braucht – ein Kloster oder eine Kathedrale zum Beispiel. Wie bei dem Unterschied zwischen einer Pfütze und einer Quelle.»
    «Und wenn wir schon in Bildern sprechen, dann kann man hinzufügen, dass die Quelle von Wychehill mit dem Gesteinsabbau versiegt ist.» Spicer zuckte mit den Schultern. «Vielleicht täusche ich mich auch … Aber ich habe auf der gesamten Rückfahrt von Berkshire darüber nachgedacht, und es war der einzige Schluss, zu dem ich gekommen bin. Und das bedeutet, dass sich Tim Loste von nächster Woche an einen neuen Probenraum suchen muss.»
    «Sie wollen ihn …»
    «Ausquartieren. Dazu habe ich das Recht, ich habe es schon überprüft. Außerdem ist es auch zu seinem eigenen Besten. Er hat sich in eine ungesunde Phantasie hineingesteigert.»
    «Und wann werden Sie es ihm sagen?»
    «Das habe ich schon getan. Ich habe ihm sogar einen Umzug nahegelegt und ihm erklärt, dass dieses Dorf meiner Meinung nach nicht gut für seine … Gesundheit ist.»
    «Das muss wie eine Drohung geklungen haben.»
    «Nein, nicht so, wie ich es ihm erklärt habe, das garantiere ich Ihnen.»
    «Und was hat er dazu gesagt?»
    «Er hat gesagt, er wüsste nicht, wie er das Winnie beibringen soll.»
    «Syd … Sie wird komplett durchdrehen. Was immer Winnie durch Loste erreichen will – es ist zu ihrem wichtigsten Lebensziel geworden.»
    «Sie ist Schriftstellerin. Ihr wichtigstes Lebensziel besteht darin, einen Bestseller über Elgars verborgene Inspirationsquellen zu produzieren … den kann sie allerdings überall schreiben, oder?»
    «Da bin ich nicht so sicher. Und außerdem bin ich nicht sicher, ob das die ganze Geschichte ist.»
    «Sie muss hier raus. Je schneller, desto besser. Aus der gesamten Region.»
    «Was sagen Sie da?»
    Spicer stand auf.
    «Und natürlich am besten vor Samstagabend.»
    «Oh, ich verstehe.»
    «Haben Sie damit ein Problem?»
    «Sie meinen, weil wir dann am Samstag in aller Feierlichkeit Gott einladen können, damit er den letzten Hauch von Longworth und den Anglo-Katholizismus Marke Loste hinausfegen kann?»
    «Denken Sie darüber nach. Es ergibt Sinn.» Er ging zur Tür.
    Merrily setzte sich im Licht der letzten Sonnenstrahlen noch ein Weilchen in eine Bank.
    Spicer hatte ihr nicht alles erzählt, was er wusste. Davon war sie überzeugt.

[zur Inhaltsübersicht]
    Teil vier
    Auf unserem Hügel betrachtete ich Nacht um Nacht unseren «unermesslichen» Horizont … Ich habe in Gedanken die Seele aufsteigen sehen und mein eigenes Herzblut in die Musik eingeschrieben.
    Edward Elgar in einem Brief ( 1899 )
     
    Für manche ist es das Weiterleben nach dem Kampfeinsatz, das ihnen den letzten Mut abfordert.
    Tony Geraghty,
Who Dares Wins: The Special Air Service
,
1950
to the Gulf War
( 1992 )

44 Der Kodex der Landwirtschaftsdienste
    Jane dachte: Gibt es solche Frauen wirklich immer

Weitere Kostenlose Bücher