Ein dunkler Gesang
könnte – und in diesem Regiment ist die Kampfausbildung alles. Sie wird bis zu einem solchen Grad an Leistungsfähigkeit und Präzision vorangetrieben, dass man irgendwann überzeugt ist, jedem Gegner ebenbürtig zu sein.
Jedem.
Aber in diesem Moment waren aus dem einen Prozent hundert Prozent geworden. Und daran hat sich nichts geändert.»
«Hm.»
«Was ich tatsächlich gut kann», sagte Spicer, «ist, den Sterbenden zu helfen. Irgendwo in mir finde ich Stärke für sie. Ich weiß, dass sie nicht alleingelassen werden, und ich kann es sie spüren lassen.»
«Syd», sagte Merrily. «Wie können Sie sagen, Sie schaffen es nicht?»
«Weil ich das auch tun könnte, ohne Pfarrer zu sein.»
Als Lol nach Hause kam, klingelte das Telefon.
«Lol, hier ist Dan.»
«Wer?»
«Aus Much Cowarne.»
«Tut mir leid, dass ich Sie nicht gleich einordnen konnte, ich bin eben erst hereingekommen.»
«Ich wollte Ihnen erzählen, dass mich Tim gerade angerufen hat. Ich bin froh, dass sie ihn rausgelassen haben. Wussten Sie das?»
«Ja, ich habe es gehört.»
«Er hat angerufen, weil ich einer der drei Leiter der Chöre bin. Ich habe Ihnen doch von den drei Chören erzählt, die zugleich in drei Kirchen gesungen haben, wissen Sie noch?»
«Klar.»
«Okay, wir sind insgesamt ungefähr siebzig Leute. Drei Chorleiter, die innerhalb kurzer Zeit mindestens ein Dutzend Sänger zusammenrufen können. Tim hat vor ungefähr einer halben Stunde angerufen. Sie wollen noch einmal einen Simultangesang in den drei Kirchen organisieren.»
«Und wann?»
«Heute Abend. Genau wie letztes Mal, nur länger. Es soll von neun Uhr abends bis drei Uhr morgens dauern. Zum Glück ist morgen Samstag, da arbeiten die Leute nicht.»
«Warum will er das jetzt so schnell durchziehen?»
«Deshalb rufe ich Sie ja an. Ich dachte,
Sie
wissen es vielleicht.»
«Hat er Ihnen denn nichts dazu gesagt?»
«Er sagt einem
nie
etwas.»
«Können Sie das denn überhaupt in so kurzer Zeit organisieren?»
«Das ist kein Problem», sagte Dan. «Nach dem letzten Mal wollen alle unbedingt wieder mitmachen. Obwohl sie sich gegruselt haben.»
Ein Pfarrer konnte sein gesamtes Berufsleben hinter sich bringen, ohne einer solchen Situation zu begegnen. Das war das Paradoxe daran.
«Mich schreckt kaum etwas. Ich kann mit körperlichem und emotionalem Schmerz umgehen. Ich kann Stress aushalten. Aber es gibt Dinge, mit denen ich nicht zurechtkomme.»
«Sie machen sich Sorgen über das Unkörperliche?»
Syd lehnte sich zurück und zog an seiner Zigarette.
«Weil Sie es nicht zurückdrängen, es nicht
überwältigen
können? Wollten Sie das sagen?»
Merrily lächelte.
«Haben Sie darüber schon mal mit Winnie Sparke geredet?»
«Mit Winnie? Warum sollte ich?»
«In Wychehill heißt es, sie kommt ziemlich oft zu Ihnen.»
«Das habe ich Ihnen doch selbst erzählt.» Er lehnte den Kopf an die Rückenlehne des Chorstuhls.
«Sie haben mir von den
Damen von Wychehill
erzählt.»
«Ich habe Winnie bei ihren Nachforschungen zu den Anfängen dieser Kirche geholfen. Gegen alles andere …» Er drückte zwischen Daumen und Zeigefinger die Zigarette aus. «Gegen alles andere hätte meine Frau etwas einzuwenden.»
«Ihre …»
«Die Gerüchte über unsere Trennung sind ziemlich übertrieben. Drei Gemeinden zu betreuen hat auch seine Vorteile, Merrily. Wenn man eine Weile weg ist, denken die Leute, man wäre eben in einer anderen Gemeinde. Fiona ist mit den Kindern nach Reading, um sie aus einer schwierigen Situation herauszuholen. Wir haben dort ein Haus, und ihre Familie lebt in der Gegend, also fanden wir diese Lösung nicht schlecht. Ich fahre jede Woche hin, oder wir treffen uns irgendwo. Gestern haben wir uns in Berkshire gesehen.»
«Und das
funktioniert
?»
«Getrennt leben – daran ist Fiona gewöhnt. Und ein Pluspunkt ist immerhin, dass das Risiko, als Geistlicher einen gewaltsamen Tod zu sterben, wesentlich geringer ist. Es kam uns einfacher vor, die Leute glauben zu lassen, wir hätten uns getrennt. Sonst hätten sie sich vermutlich in allen drei Gemeinden gefragt, wie lange es dauert, bis ich auch gehe.»
«Aber warum sind Sie denn nicht auch weg? Mit Ihrer Familie.»
«Weil ich hierher
geschickt
wurde. Ich habe bisher in meinem Leben noch jede Mission erfüllt. So oder so.»
Als wäre Gott sein Divisionskommandeur. Aber natürlich verstand Merrily.
«Und die schwierige Situation … waren das Drogen?»
«Zum Teil. Emily war das Problem. Der
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