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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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sich auf das letzte klägliche Stückchen des
alten geraden Weges
zu.
    «Sie gehören schon längst ins Altersheim, Parry», sagte Pierce beim Weggehen.
    «Halten Sie ihn auf! Bitte, halten Sie ihn auf!» Jane sprang vorwärts. «Sie
Scheißkerl

    Doch Pierce schlenderte lässig in den Obstgarten und war verschwunden, und das Einzige, was blieb, waren die gelben Scheinwerfer und der brüllende Motor. Jane warf einen Blick auf Gomer. Er rührte sich nicht, er stand einfach nur da, ein wenig gebeugt, wie einer von den alten, sterbenden Apfelbäumen in dem aufgegebenen Obstgarten hinter ihm.
    Es war beinahe vorbei.
    Jane war auf sich allein gestellt. Sie hatte versagt. Sie hatte alles falsch angepackt. Das war unerträglich.
    Ihr war nur halb bewusst, dass sie auf die Scheinwerfer des Baggers zurannte. Schluchzend hastete sie über die Weide, auf der die zerstörte Ley die Reste der alten Abstammungsgeschichte eines historischen Dorfes bewahrt hatte.
    Sie hörte hinter sich einen Ruf, warf einen Blick über die Schulter und sah, dass Gomer ihr stolpernd nachlief, und sie schrie: «Nein …» Aber da fiel er schon seitwärts in einen der neuen Gräben, sank in die Knie, und Janes Herz machte einen Satz, und sie wollte zurück, um ihm zu helfen, aber sie war schon zu weit gegangen.
    Und sie war trotz der Verwüstung auf der Weide überzeugt, immer noch den mystischen Pfad sehen zu können, schimmernd und lebendig und überhaucht vom frischen Duft der Äpfel … herb vom kühlen, trockenen Geschmack des Ciders … gehärtet von den Hufen der Hereford-Rinder in den Farben dieser Erde … hervorgehoben vom Schatten der Kirche, deren Glocken Generationen von Feldarbeitern zum Gebet gerufen hatten … und immer noch benutzt von den Schattengestalten Alfred Watkins’ und seinem berühmten Unterstützer und dem Geist …
    … dem traurigen, sepiafarbenen Geist Lucy Devenishs, die ihren Kummer in den Falten ihres Ponchos verbarg, als sich Jane auf die ausgeschlachtete Erde warf und sich vor die Baggerschaufel rollen ließ.

52 Sich an die Verletzung erinnern
    Halb elf und keinerlei Anzeichen für eine Apokalypse.
    Merrily saß auf dem Parkplatz vor der Kirche von Wychehill im Auto. Sie hatte die Scheibe heruntergekurbelt und hörte leise den Chor singen. Die Musik strömte sanft und rhythmisch durch den Abend.
    Sie war zur Kirche gegangen, hatte festgestellt, dass die Tür abgeschlossen war, und war auf einen umgedrehten Eimer gestiegen, um durch ein Fenster in die Kirche zu spähen.
    «Ave Maria»
, hörte sie. Leise und getragen.
«Ave Maria.»
    Sie sah ein paar Leute im Schein von Kerzen im Altarraum stehen. Eine weitere Kerze stand auf dem Lesepult und eine auf der Kanzel. Der Chorleiter hatte eine Glatze.
    Merrily war zum Volvo zurückgegangen. Inzwischen waren lediglich zwei Polizeiautos auf Streife vorbeigefahren. Vielleicht ging die Action ja erst in den frühen Morgenstunden los. Und vielleicht überhaupt nicht. Vielleicht hatte Raji Khan recht, und was Leute wie Leonard Holliday Sorgen machte, hatte nicht so sehr mit den konkreten Vorgängen im
Royal Oak
zu tun, sondern mit der Vorstellung, dass sich überhaupt irgendetwas an ihrem Landidyll ändern könnte.
    Sie zündete sich eine Zigarette an und sah zum Pfarrhaus hinüber. Wie überall war es auch dort dunkel. Sie stieg wieder aus, schloss das Auto ab und ging zur Church Lane hinauf. In Hannah Bradleys Cottage flackerte das Licht eines Fernsehers. Merrily ging weiter die Straße entlang und war überrascht, wie hell es in einer Nacht sein konnte, in der kein Vollmond schien. Eine schwache Lampe brannte am Anfang der Zufahrt, die zum Starlight Cottage hinunterführte, doch das Cottage selbst war unbeleuchtet, und offensichtlich war niemand zu Hause.
    Wenn Winnie Sparke sie absichtlich in die Irre geführt hatte, würde es schwer werden, sie oder Tim Loste zu finden. Merrily machte sich auf den Weg zurück zum Auto.
    Da ging auf der anderen Straßenseite flackernd eine Außenleuchte an, und eine Tür wurde geöffnet.
    «Hallo, ich habe vorhin gedacht, ich hätte Sie vorbeigehen sehen», sagte Hannah. «Stimmt etwas nicht?»
    «Ich habe nur Winnie gesucht.» Merrily überquerte die Straße. «Sie haben Winnie nicht zufällig gesehen, oder?»
    «Ich achte nicht besonders auf sie.» Hannah stand am Zaun. «Winnie kann sich sehr gut um sich selbst kümmern.»
    «Wie meinen Sie das?»
    «Ist ein netter Typ, Tim Loste. War er jedenfalls. Ich weiß nicht, wie er

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