Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
der Bagger herummanövriert wurde.
    «Vorsichtig, Mädchen … Draht.»
    Gomer tastete sich an einem Stacheldrahtzaun entlang, über den man nachts ohne Taschenlampe besser nicht stieg. Licht kam nur von den Scheinwerfern des Baggers. Jane sah sie zwischen den Bäumen hindurchblitzen, wie auch den Umriss des großen gelben Baggers selbst, der monströs und gewalttätig wirkte.
    Gomer fand den Zauntritt und prüfte mit beiden Händen seine Festigkeit, bevor er auf die andere Seite stieg. Jane folgte ihm über den Zaun und riss sich den Handrücken an der Unterseite eines Schildes auf. Wenn es hell genug gewesen wäre, hätte sie darauf lesen können:
Bezirksamt Herefordshire, Dezernat für Bauentwicklung.
    «Schweine …»
    «Janey …»
    «Aufhören!», brüllte Jane. «Aufhören! Ihr
Schweine

    Sie rannte auf die Weide, wo ein Teil des neuen Zauns abgebaut worden war, damit der Bagger durchfahren konnte. Der Bagger, der jetzt auf Coleman’s Meadow wütete. Und sich für den nächsten Angriff bereitmachte.
    Jane rannte auf ihn zu, doch dann wurde sie gepackt und festgehalten. Der Bagger hob seine Schaufel wie ein wild gewordener Dinosaurier, und seine Scheinwerfer richteten sich auf Jane, die sich von dem Mann mit dem gelben Baustellenhelm losriss, der sie festgehalten hatte.
    «Die Sicherheitsvorschriften sind klar und eindeutig», sagte der Mann. «Sie dürfen keinen Schritt weiter.»
    Jane wich keuchend vor ihm zurück und strich sich das Haar aus der Stirn, während er sich bückte, um eine Taschenlampe aufzuheben, mit der er ihr ins Gesicht leuchtete.
    «Das hätte ich mir ja denken können», sagte er.
    «Das ist …» Sie konnte kaum sprechen vor Schreck und Wut. «Das ist
falsch
. Das ist
illegal
. Das ist ein
Verbrechen
gegen …»
    «Das ist ganz und gar nicht falsch», sagte Lyndon Pierce, «und garantiert nicht illegal. Das hier ist privater Landbesitz, und der Mann auf dem Bagger ist der Besitzer.»
    Die Taschenlampe schwang zu Gomer herum. Er keuchte vom schnellen Laufen.
    «Verdammich, Lyndon, du hast dich kein bisschen verändert. Nich das allerkleinste bisschen.»
    «Das ist nicht Ihr Problem, Mr. Parry. Ich weiß nicht, was Sie hier verloren haben.» Pierce sah Gomer nicht direkt an. «Ich rate Ihnen dringend, umgehend diese Weide zu verlassen und die junge Dame hier gleich mitzunehmen, bevor sie noch mehr Ärger bekommt. Das hier ist
nicht Ihre Sache

    «Un deine auch nich, Junge. Und du willst Gemeinderat sein. Da solltest du gefälligst beide Seiten sehen.»
    «Ich ergreife doch gar nicht Partei. Ich beobachte nur. Ich bin als Mitglied des Dezernats für Bauentwicklung in Herefordshire hier. Als offizieller … Beobachter.»
    Er sah sich auf der Weide um, und Jane folgte seinem Blick. Der Bagger war mit erhobener Schaufel an den Rand der Weide gefahren, und seine Scheinwerfer beleuchteten, was er Coleman’s Meadow angetan hatte.
    Jane war zu getroffen, um zu weinen. Es sah aus wie auf einem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs. Mehr als die Hälfte des Weges, der über die Weide führte, war ausgebaggert und weggerissen worden. Die obere Torfschicht lag in großen, schweren Brocken im Gelände, und weiter unten, wo der Grund weicher war, schnitten tiefe Furchen in die Erde, die sich langsam mit Sickerwasser füllten.
    Sie hatten es systematisch zerstört. Sie hatten die Ley unsichtbar gemacht. Sie hatten gewartet, bis es dunkel war und sich die paar Demonstranten verzogen hatten, und dann hatten sie den Zaun geöffnet, um den Bagger hereinzulassen wie einen Fuchs ins Hühnerhaus.
    «Sagen Sie ihm, er soll damit aufhören», verlangte Jane. «Solange noch ein Stück von dem Weg erkennbar ist. Denn morgen wird es nicht gut für Sie aussehen, wenn … die Wahrheit herauskommt.»
    «Die Wahrheit?»
    Pierce lachte. «Jane, die einzige Wahrheit, die herauskommt, wird Ihnen und Ihrer Mutter und dem Hippie-Freund Ihrer Mutter schaden. Und jetzt würde ich an Ihrer Stelle in aller Ruhe nach Hause gehen, bevor Sie Ihre Situation noch weiter verschlimmern.»
    «Ich soll Sie also ein historisches Denkmal zerstören lassen?»
    «Das hatten wir doch alles schon, Jane. Das hier ist genauso wenig ein historisches Denkmal wie Ihr Freund Mr. Parry.»
    «Sie sind … Sie sind einfach ein Drecksack und ein …»
    Am liebsten hätte ihm Jane jedes Schimpfwort an den Kopf geworfen, das sie kannte, aber das wäre kindisch gewesen.
    «Warum …» Sie drehte sich kurz weg, weil sie Tränen kommen fühlte.

Weitere Kostenlose Bücher