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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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hinaufblickte.
    Ein junges Mädchen saß mit einem iPod im Schoß in der Nähe des Denkmals. Musik von Elgar hörte sie bestimmt nicht, dachte Merrily. In Janes Generation galt er als aufgeblasener alter Imperialisten-Sack. Merrily blieb stehen und betrachtete den Turm der Kathedrale, der wieder einmal eingerüstet war. Sie fühlte sich unwohl. Der Gedanke an eine zentralisierte Polizei, die von nervösen Politikern geführt wurde, machte ihr Angst. Merrily ging hinüber zur Touristeninformation und nahm ein paar Broschüren über die Malverns mit, bevor sie die Treppe zum Torhausbüro hinaufstieg, in dem Sophie gerade den Telefonhörer auflegte.
    «Ich wollte nur kurz sagen, dass ich am liebsten gleich wieder nach Wychehill fahren würde, wenn es hier nichts Dringendes gibt. Damit wir die Sache hinter uns haben.»
    «Hat Mr. Bliss für mehr Klarheit gesorgt?»
    «Mr. Bliss hat für noch mehr Unklarheit gesorgt, wie es Mr. Bliss so gerne tut.»
    «Merrily, drei Dinge: Ich habe erfahren, dass der
Royal Oak
ein sehr beliebter Treffpunkt für Wandervereine war, weil es dort einen großen Parkplatz gibt und in der Nähe mehrere Wanderrouten anfangen. Der Verein der Wanderfreunde hat natürlich bei der Fremdenverkehrsverwaltung Beschwerde eingelegt.»
    «Das wundert mich nicht.»
    «Ich habe mich auch mit dem Büro für spirituelle Grenzfragen in Worcester in Verbindung gesetzt. Anscheinend sind geheimnisvolle Lichterscheinungen in den Malverns keine Seltenheit. Die Leute denken dabei aber meistens an UFOs. Unheimliche Radfahrer mit funktionierenden Fahrradlampen sind bis jetzt noch nie gemeldet worden.»
    «Oh, danke, Sophie.»
    «Und drittens: Hochwürden Spicer hat angerufen. Die Gemeindeversammlung, die für Mittwoch in Wychehill geplant war … es tut mir leid, Merrily.»
    «Wurde sie abgesagt? Nein, das würde Ihnen ja nicht leidtun, oder?»
    «Sie wurde vorverlegt. Auf morgen Abend.»
    «Was?»
    «Aus Gründen der Diskretion, sagte Mr. Spicer. Sie wollen sicher sein, dass keine Presse dabei ist. Und auch niemand von den überregionalen Verwaltungsbehörden oder dem Fremdenverkehrsverband. Anscheinend kommen die ganz gern zu solchen Treffen. Er sagte, dieses Problem sollte von den Leuten vor Ort gelöst werden … und von Ihnen natürlich.»
    «Aber ich habe nachmittags eine Taufe!»
    «Der Teil des Treffens, der Sie betrifft, beginnt erst um halb neun.»
    «Nein, ich meine, ich muss vorher in Wychehill auch noch mit ein paar Leuten sprechen.»
    Sophie seufzte. «Manchmal finde ich, Sie übertreiben.»
    «Entweder macht man seine Arbeit richtig oder gar nicht. Also muss ich auf jeden Fall heute Abend noch einmal hin.»
    «Merrily», Sophie lehnte sich zurück, «das ist lächerlich. Sie waren heute schon zweimal dort … Haben Sie überhaupt etwas gegessen?»
    «Eine Kleinigkeit.»
    «Also gut.» Sophie stand auf. «Ich fahre Sie hin.»
    «Nein, das ist …»
    «Wenn Sie auf der Rückfahrt am Steuer einschlafen …»
    «Ich frage Lol, in Ordnung? Und ich würde gern noch mit Jane reden, bevor wir fahren. Langsam fühle ich mich nämlich wie eine Teilzeitmutter.»
    Sie rief Lol an, aber er war nicht da.

11 Trügerisches Idyll
    Als Lol zurückrief, saß Merrily schon im Auto auf dem Parkplatz des Bischofspalastes. Sie schaltete den Motor wieder ab. «Weißt du über Janes
Projekt
Bescheid?», fragte Lol.
    Merrily ließ sich in ihrem Sitz zurücksinken und verstellte den Rückspiegel, damit sie nicht mehr sehen musste, was nach einer neuen Falte unter dem linken Auge aussah.
    Jane
und
Projekt
. Merkwürdig, wie bedrohlich diese Kombination klang.
    «Sie sagte, sie wollte dir heute Morgen alles erklären, aber du hättest so früh weggemusst.»
    «Wenn ich nicht so früh weggemusst hätte, dann wäre sie in die Schule gegangen, und das weiß sie auch.» Merrily schloss die Augen. «Das hat sie
noch nie
getan. Glaube ich.»
    «Die Prüfungen sind gelaufen …»
    «Das spielt keine Rolle, es war ein Schultag.»
    «Möchtest du vorbeikommen, wenn du früh nach Hause kommst?»
    «Ich wollte gerade zu Hause vorbeifahren, um mich schnell umzuziehen. Ich habe in der Nähe von Malvern zu tun. Und dabei sollte ich vermutlich wie eine richtige Pfarrerin auftreten.»
    «Oh. Na ja, sie weiß, dass ich es dir erzähle. Sie benutzt mich als eine Art Filter. Es kann warten.»
    «Nein, kann es nicht», sagte Merrily.
Verflixte
Jane. «Lol, könntest du vielleicht mitkommen? Sophie wollte mich fahren … sie befürchtet, dass

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