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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Torte ein dreieckiges Stück geschnitten worden, und auf den erhöhten Grund an seinem Scheitelpunkt hatte jemand ein Steinhaus gebaut. Ein Haus, das sich irgendwann in einen Pub verwandelt hatte. Lol betrachtete es ohne erkennbare Ehrfurcht.
    «Und das hier ist das Tor zur Hölle?»
    Vielleicht hatte es einmal einen Vorgarten gegeben, jetzt aber existierte nur noch dieser riesige, dreieckige Parkplatz mit schroff ansteigenden Felswänden an zwei Seiten, die zum Teil mit Nadelbäumen bewachsen waren. Merrily fuhr auf den Parkplatz, unter das ausgebleichte Schild, das am Eingang des Hauses an einer Stange hing. Es zeigte ein archaisch wirkendes Bild von einer gedrungenen Eiche, unter der in verblassten Frakturbuchstaben
Royal Oak
stand. Darunter hing ein weiteres, schlicht weißes Schild:
Inn Ya Face
    Neun oder zehn Autos standen auf dem Parkplatz, doch zu sehen war niemand. Merrily kurbelte das Fenster herunter. Man hörte nur Vogelgezwitscher.
    «Also gut, fahren wir weiter, reden wir mit den Leuten über einen Geist auf einem Fahrrad.»
    Als sie in Wychehill ankamen, war die warme Luft von beinahe überirdisch klingender mittelalterlicher Musik erfüllt.

12 Nähe
    Die Straße schlängelte sich zwischen niedrigen, baumbestandenen Hügeln dahin. Wie Spicer gesagt hatte, wies nichts auf eine Dorfgemeinde hin. Kein Laden, kein Pub, keine Kinder auf Fahrrädern, keine Leute, die ihre Hunde spazieren führten. Nur auf dem etwa zwei Meilen entfernten Hochplateau des Herefordshire Beacon sah man ein paar Gestalten, wie Fliegen auf einem Kuhfladen.
    Kurz nach sieben parkte Merrily hinter fünf anderen Autos vor der Kirche.
    Die Kirche lag etwas abseits der Straße. Die Flügeltür war geschlossen, und im Turm gab es kein einziges Fenster. Die Kirche schien blind in der Landschaft zu stehen, blind für das üppige Tal, das auf ihrer anderen Seite sanft abfiel.
    Und doch schien dieser wenig verheißungsvolle neugotische Klotz über alles Irdische erhaben.
    So leise wie möglich drückte Merrily die Autotür zu.
    «Das muss eine Aufnahme sein … eine CD .»
    «Das glaube ich nicht», sagte Lol.
    Er stand am Kircheneingang, wo mit Goldlettern auf einem schwarzen Schild
St. Dun
stand. Darüber hing eine schwere Laterne an einem schmiedeeisernen Halter. Eine der Glasscheiben war zerbrochen.
    Die Stimmen, männliche und weibliche, rieselten herab wie das Wasser eines trägen Springbrunnens.
    «Das sind gregorianische Gesänge, oder?», sagte Lol.
    «Ich weiß nicht. Ich meine, das ist …»
    «Vielleicht etwas Ähnliches. Jedenfalls ist es bestimmt Latein.»
    «Aber das ist … ich weiß ja, dass man vieles heute nicht mehr so eng sieht, aber das ist immer noch eine anglikanische Kirche.»
    Lol zuckte mit den Schultern.
    «Willst du reingehen?»
    «Ich würde mich lieber um das kümmern, weswegen wir gekommen sind.»
    Merrily entfaltete den Zettel mit den Namen und Adressen, den ihr Syd Spicer gegeben hatte. Ganz oben stand
Tim Loste, Caractacus Cottage. Unten an der Straße, hinter dem Pfarrhaus
.
    «Er wird wohl gerade dirigieren, meinst du nicht?»
    «Ein Wahnsinnschor für so ein kleines Dorf», sagte Lol.
    «Noch dazu ein Dorf, in dem die Leute kaum Kontakt miteinander haben, sagt jedenfalls der Pfarrer. Na ja, vielleicht singen sie eben einfach zusammen. Warum hat mir Spicer nicht gesagt, dass Tim Loste heute Abend keine Zeit haben würde?»
    «Vermutlich wusste er nicht, dass du kommen willst. Wer sind die anderen?»
    «Der Vorsitzende des Pfarrgemeinderats hat ungefähr eine halbe Meile entfernt seinen Bauernhof. Die andere ist eine Mrs. Cobham. Wohnt in einer umgebauten Scheune. Zwei Minuten zu Fuß von hier aus, sagt Spicer. Das wären dann zehn Minuten für Leute wie uns.»
    «Also war er wirklich bei der SAS ?»
    «Mmm.»
    Sie gingen hinter Hannah Bradleys Cottage über die Wiese. Kein Zeichen von Hannah. Dann blieb Merrily stehen und sah den Hügel hinauf. «Meinst du,
das
ist es?»
    Die großen Fensterscheiben der umgebauten Scheune leuchteten golden in der frühen Abendsonne. Dieser Umbau musste teuer gewesen sein. Eine geschwungene Kiesauffahrt führte zum Haus, und an ihrem Ende stand ein weißer Mercedes Offroader.
    «Das ist die Frau, deren Auto außer Kontrolle geraten und die dann in ein Wohnmobil gefahren ist.»
    Doch auch hier war niemand zu Hause. Merrily trat einen Schritt zurück: «Nicht mein Tag heute.»
    «Vielleicht singt sie im Chor.»
    «Ein ganzes Dorf voll hochbegabter Sänger mit klassischer

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