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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Tisch.
    «Oder Wordsworth in Grasmere», sagte Merrily. «Oder die Brontës in Howarth. Ja, ich verstehe, was Sie sagen wollen.» In Hereford gab es Firmen, die sich «Elgar – Teppiche und Inneneinrichtungen» nannten, es gab das Café Elgar und die Elgar-Galerie. Und in all diesen Läden hatte man bis vor kurzem, als der Geldschein neu gestaltet wurde, mit Zwanzig-Pfund-Noten bezahlt, auf denen das Porträt des grauhaarigen Elgar zu sehen war, der über seinen beeindruckenden Schnurrbart hinweg in eine unendliche Ferne blickte.
    «Wordsworth und Shakespeare», sagte Spicer, «sind historisch, aber vergleichsweise recht weit entfernt. Elgar dagegen ist kaum siebzig Jahre tot. Es ist, als würde er immer noch hier in der Gegend leben, mit allem, was ihn ausgemacht hat. Angeblich haben sie im Elgar-Museum in Broadheath sogar seine Wettscheine ausgestellt.»
    «Daran hätte ich denken sollen. Elgar hat gewissermaßen den Soundtrack für die Malverns geschrieben. Er ist sozusagen der naheliegendste Ortsgeist in dieser Gegend.»
    «Vielleicht sogar naheliegender, als Sie denken», sagte Spicer. «Joseph Longworth, der Steinbruchbesitzer, der die Kirche hat bauen lassen und zu den Wiedergeborenen Christen gehörte, war Elgar-Fanatiker. Die Kirche wurde so groß gebaut, dass Chor und Orchester Platz fanden, um die Werke des Meisters aufzuführen. Angeblich war Elgar bei der Weihe der Kirche dabei. Und wenn Longworth die Kirche St. Edward hätte nennen können, dann hätte er es getan.»
    «Aber Elgar war Katholik, oder?»
    «Ja, das war er», sagte Spicer. «Und er hat für katholische Gottesdienste sehr viel Kirchenmusik geschrieben, wie Sie … vermutlich selbst schon gehört haben. Aber seine Musik wurde natürlich auch in anglikanischen Kathedralen gespielt, und Longworth hat viel Geld bezahlt, um diese Kathedralmusik hierher zu holen.»
    «Anscheinend hat er ja bekommen, was er wollte.»
    «Aber nur für kurze Zeit. Sie haben hier ein paar Konzerte gegeben, aber dann starb Longworth und nach ihm Elgar. Und dann passierte nicht viel, bis Tim Loste kam. Er vergöttert Elgar. Also werden wir hier nach vielen Jahren erneut zum Elgar-Dorf.»
    «Und gibt es sonst noch etwas Besonderes über Tim Loste zu wissen?»
    «Nein. Er war früher Musiklehrer am Malvern College, jetzt gibt er Privatstunden. Hat mit Leuten aus dem gesamten Umland einen Hobbychor gegründet. Na ja, jedenfalls haben sie als Hobbychor angefangen. Inzwischen verdienen sie sogar ein bisschen Geld. Was mich angeht: Die Gemeinde bekommt ihren Anteil, und auch wenn die meiste Musik erzkatholisch ist …»
    «Sorgt sie dafür, dass die Kirche voll ist.»
    «Genau. Es ist ja sogar so, dass wir eine ganze Reihe von Leuten in Wychehill und im Tal haben, die
allein deswegen
hierher gezogen sind, weil hier das Elgar-Land ist. Manche von ihnen schwimmen richtig in so einem rührseligen Patriotismus im Stil von
‹Land of Hope and Glory›
. Finden Sie dieses Lied nicht auch grässlich?»
    «Anscheinend fand Elgar es selbst grässlich», sagte Lol. «Andererseits war nicht er es, der den Text dazu geschrieben hat.»
    Merrily warf ihm einen Blick zu. Offensichtlich wusste er mehr über Elgar als sie selbst, aber das war auch kein Kunststück.
    «Kommen wir zum Grundsätzlichen, Syd. Wer genau hat gesagt, dass die vermeintliche Erscheinung Elgar ist?»
    «Oh, laut ausgesprochen hat das niemand. Der Gedanke schien einfach irgendwann im Raum zu stehen. Darf ich Ihnen erklären, warum ich darüber nicht besonders glücklich bin?»
    «Bitte.»
    «Also, fangen wir bei Tim an. Guter Chorleiter und ein noch besserer Musiklehrer, wie es heißt … aber am liebsten wäre er ein großer Komponist, und das ist er nicht. Das frustriert ihn über alle Maßen. Er neigt zur Depression. Und in jener Nacht kommt er von der Straße ab und fährt gegen einen Telegraphenmast. Niemand anders ist beteiligt, keine Verletzung, keine Polizei. Und das war auch gut so, Tim war nämlich ziemlich betrunken.»
    «Oh.»
    «Es ist zufällig schräg gegenüber der Kirche passiert. Ich habe den Aufprall gehört. Ich bin rübergegangen und habe ihm aus dem Auto geholfen. Das war vor ungefähr einem Monat, so um halb neun abends, und es wurde gerade dunkel. Er hat am ganzen Leib gezittert. Hat gesagt, er wäre auf dem Weg nach Ledbury gewesen, um eine Birne für seine Tischlampe zu kaufen. … Das sagt schon alles über seinen Zustand. Ich hätte ihm natürlich eine Glühbirne gegeben.»
    «Ist er

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