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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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allgemeines … Unbehagen.»
    «Unbehagen.»
    «Ich würde diesen Gottesdienst gern als eine Art Abschluss betrachten. Als Heilung. Was meiner Erfahrung nach sehr … allumfassend wirken kann. Deshalb dachte ich, es wäre passend, wenn auch Sie daran teilnehmen.»
    «Und warum wird diese Messe von Ihnen und nicht von Mr. Spicer abgehalten?»
    «Weil … Weil ich auf diese Art Heilung spezialisiert bin.»
    «Also sind Sie eine spirituelle Heilerin. Eine Glaubensheilerin.»
    «Diese Beschreibung sagt mir nicht so sehr zu.»
    «Und welche würde Ihnen zusagen?»
    Mr. Khan wartete.
    «Ich bin die Beraterin für spirituelle Grenzfragen in der Diözese Hereford», sagte Merrily. «Vermutlich sollte ich erklären, was das …»
    «Glauben Sie wirklich, das weiß ich nicht? Auf jeden Fall wird mir jetzt klar, dass Ihre Bemerkung mit dem Weihwasser vorhin nicht nur scherzhaft gemeint war.»
    «Doch, das war ein
reiner
Scherz, aber ich verstehe Ihre … Bedenken.»
    «Man hört heute so viel über diese sogenannten Grenzfragen.» Mr. Khan runzelte die Stirn. «Kinder und Babys werden bis zur Grenze des Missbrauchs exorziert und auch darüber hinaus, weil sie angeblich von bösen Geistern besessen sind.»
    «Wir tun so etwas nicht. Falls wir jemals aufgefordert werden, ein Kind zu exorzieren, stehen an erster Stelle die Sozialisationsanalysen und psychiatrischen Gutachten. Und die Situation in Wychehill hat glücklicherweise nichts mit Kindern zu tun. Dort geht es um eine gesteigerte Unfallhäufigkeit auf der Straße und … andere Probleme, die mit möglicherweise paranormalen Erfahrungen in Verbindung gebracht werden.»
    «Da bin ich aber gespannt, Mrs. Watkins.»
    «Einige Leute glauben, eine Gestalt auf einem Fahrrad gesehen zu haben. Auf der Straße. Unmittelbar vor dem jeweiligen Unfall. Das ist es im Grunde.»
    So etwas ungerührt zu erzählen, fand Merrily, gehörte zum Schwersten bei ihrer Arbeit. Manchmal spürte man den spöttischen Blick der Zuhörer beinahe körperlich.
    «Wie außergewöhnlich, Mrs. Watkins. Und bezeugt auch der kultivierte Mr. Devereaux diese Erscheinung?»
    «Wir haben noch nicht eingehender darüber gesprochen. Aber ich habe den Eindruck, dass eine Seelenmesse für zwei Menschen, die kürzlich auf dieser Straße gestorben sind, einen beruhigenden Einfluss hätte und dass sie die Gemeinde auf einer spirituellen Ebene zusammenbringen würde. Ich glaube, auch im Islam geht man davon aus, dass soziale und atmosphärische Störungen von unterschiedlich ausgeformten … Anwesenheiten verursacht werden
können

    «Oh, ganz recht, genau so ist es.» Mr. Khan stand auf und ging ans Fenster. «Diese Messe hat also absolut nichts mit der Ermordung meines Angestellten Mr. Wicklow zu tun.»
    «Nicht direkt», sagte Merrily. «Aber ich bin sicher, dass wir auch ihn stark in unsere Gedanken einschließen werden.»
    Er lächelte. «Wie diplomatisch.»
    «Mr. Wicklow scheint ein sehr gewalttätiger Mensch gewesen zu sein», sagte Merrily.
    «Ja, das war er anscheinend. Aber trotzdem ein Mensch. Und am Ende ein Opfer. Das betrauert wird. Sehen Sie …»
    Er winkte sie zum Fenster. Unten im Hof stellte ein Mann den Fahrersitz eines leuchtend orangefarbenen Sportwagens ein. Zwei Frauen sahen ihm dabei zu. Die ältere hielt ein zerknülltes Taschentuch in der Hand.
    «Seine Familie?»
    «Sie waren beinahe den ganzen Tag hier, um seine Sachen abzuholen – sein Auto, seine Kleidung, seinen Schmuck. Seine Mutter hat es sehr hart getroffen. Er war ihr einziger Sohn.»
    Merrily sagte nichts und dachte an die Mütter der toten Junkies, die ihren Stoff bei Roman Wicklow gekauft hatten.
    «Vielleicht war es naiv von mir», sagte Mr. Khan, «anzunehmen, dass er einfach die Natur liebt, aber das dachte ich, wenn ich meinen wichtigsten Türsteher mit Rucksack und Fernglas in die Hügel habe aufbrechen sehen. Das Ganze war für uns alle eine ernüchternde Erfahrung.»
    Er wandte sich vom Fenster ab.
    «Sie glauben mir eigentlich nicht, oder, Mrs. Watkins? Sie glauben nicht, dass ich nichts von Romans Geschäften wusste. Vielleicht denken Sie sogar, ich hätte selbst etwas damit zu tun gehabt.»
    Damit hatte sie nicht gerechnet.
    «Nun ja …» Sie ging langsam zu ihrem Stuhl zurück. «Ich halte Sie nicht für naiv. Nicht alle Ihre Stammgäste möchten ihre Partynächte hier ohne einen kleinen Muntermacher verbringen. Wenn Sie dafür bekannt wären, einen harten Kurs gegen Drogen zu fahren, wäre dieser

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