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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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die beiden größten eisenzeitlichen Hügelfestungen unterstrichen. Den Herefordshire Beacon und den Worcestershire Beacon. Doch die Linie verlief nicht durch die Festungen hindurch, sondern an der einen links und an der anderen rechts vorbei.
    «Das ist kein Problem. So war es anscheinend richtig», sagte Jane. «Alfred Watkins hat festgestellt, dass die Leys eigentlich nie durch das Zentrum einer Hügelfestung führen.»
    «Und was bedeutet es, dass die Linie seitlich vorbeiläuft?»
    «Das ist einfach. Die Siedler aus der Eisenzeit lebten im Zentrum der Hügelfestungen. Dort standen ihre Hütten und so weiter. Aber man will ja kein mächtiges spirituelles Energiefeld im Wohnzimmer haben, verstehst du? Sonst macht dich die Intensität früher oder später verrückt. Deshalb wohnt man
neben
einer Ley. Wenn Kirchen auf alten Kultstätten gebaut werden, ist das natürlich etwas anderes.»
    «Weil man dort extra hingeht, um sich den spirituellen Kick zu holen?»
    «Genau. Die Kirche von Redmarley liegt genau auf der Linie. Die andere Kirche, in der dieser Chor gesungen hat, die Priorei von Little Malvern, liegt
nicht
auf dieser Nord-Süd-Ley, sondern auf einer weiteren Ley, die sie in westöstlicher Richtung kreuzt. Und siehst du, hier liegt Wychehill …»
    «Genau auf dem Kreuzungspunkt der beiden Linien.»
    «Cool, oder?»
    «Vielleicht bist du gerade auf etwas gestoßen», sagte Lol. «Wenn ich nur wüsste, auf was.»
    «Das ist eine ganze
Reihe
heiliger Hügel. Das macht diese Region aus geopsychologischer Sicht unheimlich bedeutend.»
    Mit einem leisen Seufzen sah sie Lol an.
    «Weißt du, ich finde diese Sachen einfach sagenhaft. Es verstärkt die Wahrnehmung … Man findet eine Linie auf der Karte und fühlt sich plötzlich als Teil von etwas Gigantischem, genau wie der Typ vom Chor gesagt hat. Es ist beinahe, als würde man einen persönlichen Kontakt mit …» Jane schüttelte den Kopf. «Ach Quatsch.»
    Da klopfte jemand an die Haustür.
    «Geh nach oben», sagte Lol.
     
    «Mr. Robinson, oder? Entschuldigen Sie die Störung, aber wie ich höre, wissen Sie vielleicht, wo die Pfarrerin ist.»
    Er trug einen Anzug und eine weinrote Krawatte. Er wippte ein bisschen auf den Zehen und klimperte mit Kleingeld in seiner Hosentasche. Er wirkte unglaublich altmodisch, dabei konnte er kaum älter als dreißig sein.
    «Tut mir leid», sagte Lol. «Ich weiß nicht genau, wo sie ist. Sie fährt oft durch die gesamte Diözese.»
    «Wissen Sie, ob sie ihre Tochter dabeihat?»
    «Das glaube ich nicht. Sie sind Mr. Pierce, oder?»
    «Lyndon Pierce, ganz recht.» Sein gegeltes Haar reflektierte die Sonnenstrahlen.
    «Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?», fragte Lol. «Soll ich Mrs. Watkins etwas von Ihnen ausrichten?»
    «Das wäre vermutlich gut, Mr. Robinson.»
    «Möchten Sie einen Moment hereinkommen?», fragte Lol.
    «Danke.» Pierce rieb sich die Hände. «Es dauert nicht lange, Mr. Robinson, aber es gibt wirklich einiges, was Mrs. Watkins wissen sollte.»
    Während er ihn ins Wohnzimmer führte, wurde Lol immer nervöser. Dieser Typ repräsentierte Aspekte des Lebens, mit denen Lol nie in Berührung gekommen war. Weder hatte er schon einmal Grund gehabt, mit einem Mitglied des Gemeinderates zu sprechen, noch je so viel Geld verdient, dass er einen Steuerberater gebraucht hätte.
    Pierce stand auf dem Kaminvorleger und nahm die orange gestrichene Decke, die am Fenster hängenden Kristalltropfen sowie die Boswell-Gitarre zur Kenntnis. Zweifellos dachte er gerade:
Neo-Hippie.
    «Heute suchen eine Menge Leute nach Mrs. Watkins, Mr. Robinson. Und nach Jane natürlich. Sie hat etwas ins Rollen gebracht, was sie vermutlich noch bereuen wird. Und ihre Mutter vielleicht auch.»
    Nachdem er sich im Zimmer umgesehen hatte, war Pierce wohl klargeworden, dass er Lols Wählerstimme niemals bekommen würde und er deshalb kein Blatt vor den Mund zu nehmen brauchte.
    «Leider neigen die Menschen ja dazu, die Eltern für die Fehler der Kinder verantwortlich zu machen, Mr. Robinson.»
    «Sie nennen Jane ein Kind?»
    Die Tür zum Flur war nicht ganz geschlossen.
Hoffentlich steht sie nicht dahinter.
    Lyndon Pierce lachte. «Hören Sie, Mr. Robinson, ich will gleich zur Sache kommen. Wir haben ein ernsthaftes Problem. Vor ein paar Stunden hat mich Gerry Murray angerufen, das ist der Besitzer von Coleman’s Meadow. Er war nicht besonders froh. Kein Wunder. Ich habe die Sache persönlich vor Ort in Augenschein genommen und

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