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Ein dunkler Ort

Ein dunkler Ort

Titel: Ein dunkler Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Gesicht etwas Starkes, Entschlossenes. An das Mädchen, das sich an seinen Arm klammerte, konnte sie sich nicht mal schwach erinnern. War ihre Mutter wirklich mal so jung und sorglos gewesen? Hatte sie wirklich mal vor Freude gestrahlt?
    Sei glücklich, Mom , sagte Kit ihr stumm. Bitte, sei glücklich mit Dan. Denn was ihre Mutter auch an Gemeinsamkeit und Sicherheit in ihrer neuen Ehe finden mochte, so wie dieses Mädchen auf dem Foto würde sie nie wieder sein.
    Sie stellte das Foto von ihren Eltern auf den Sekretär und steckte das Bild von Tracys Geburtstag in den Spiegelrahmen. Irgendwas fehlte aber. Ich hätte ein paar Poster mitnehmen sollen – oder Fotos von süßen Jungs aus der Schule , dachte sie, denn das war schließlich die übliche Deko für Schülerzimmer. Zu Hause hatte sie massenhaft Partyfotos.
    Allerdings konnte keiner der darauf Abgelichteten mit Jules Duret mithalten. Ich wette, es wird jede Menge hingebungsvoller Klavierschülerinnen in Blackwood geben , dachte sie.
    Trübsal war gestern, heute war die Welt hell und strahlend. Als sie ihr Zimmer verließ, strömte das Regenbogenlicht in den Flur, das sie tags zuvor schon fasziniert hatte. Die Gestalt, die sich ihr aus dem Spiegel näherte, erschreckte sie jetzt nicht mehr, sie sah eher aus wie eine Freundin. Kit winkte ihr lächelnd zu und war ganz zufrieden mit dem fröhlich strahlenden Gegenüber, das zurückwinkte.
    Unten im Flur war niemand, aber hinter der geschlossenen Tür von Madames Büro war Stimmengemurmel zu hören. Kit schlenderte daran vorbei und ging ins Esszimmer. Es war leer. Im angrenzenden Raum lief Wasser. Kit ging durchs Esszimmer, stieß die Schwingtür auf und betrat die Küche.
    Das dünne Mädchen, das gestern das Abendessen aufgetragen hatte, stand an der Spüle und wusch eine Bratpfanne ab. Sie schaute auf und runzelte die Stirn, als sie Kit sah.
    »Das Frühstück ist vorbei, Miss, aber Madame sagt, ich soll Ihnen was machen, wenn Sie etwas möchten. Sie haben um acht gefrühstückt. Jetzt ist es zehn Uhr durch.«
    »Ich hab lange geschlafen«, sagte Kit entschuldigend, »und dann meine Sachen ausgepackt. Ich bin Kit Gordy. Und du bist Natalie, stimmt’s?«
    Das Mädchen nickte. »Natalie Culler. Was willst du denn essen?«
    »Du brauchst mir nichts zu machen«, sagte Kit. »Ich kann mir selber ein paar Scheiben Brot toasten, wenn das okay ist.«
    Das Mädchen stellte sich ihr in den Weg.
    »Das ist mein Job. Ich koche hier.« Sie nahm zwei Scheiben Brot aus einer Packung und steckte sie in den Toaster. »Dafür werde ich schließlich bezahlt.«
    »Du servierst und du kochst auch? Das ist aber schrecklich viel Arbeit für eine Person. Bekommst du Hilfe, wenn all die anderen Schüler da sind?«
    »So viele werden das nicht«, sagte Natalie. »Ich bin jetzt achtzehn und ich koche eigentlich schon, seit ich zwölf bin. Wenn’s ein paar Leute mehr sind, macht mir das nicht viel aus.«
    »Boah, eine ganze Schule voller Mädchen!« Kit sah sie beeindruckt an. »Bedeutet das denn nicht …«
    Das Mädchen unterbrach sie. »Der Toast ist fertig, Miss. Hier ist die Butter, Marmelade steht drüben auf dem Schrank.« Sie zögerte und sagte dann entschuldigend. »Die Frau … Madame Duret … will nicht, dass die Angestellten aus dem Dorf mit den Schülerinnen reden. Das hat sie uns gesagt, als wir eingestellt wurden. Ich darf fragen, was die Leute wollen und solche Sachen, aber das war’s dann auch schon, mehr reden soll ich nicht.«
    »Oh«, sagte Kit. »Na, ich wollte dich nicht in Schwierigkeiten bringen.«
    »Weiß ich doch, Miss, aber dieser Job ist unheimlich wichtig für mich. Man findet nicht leicht eine Stelle in einem Ort wie Blackwood Village. Also ist es vielleicht das Beste, wenn du dein Frühstück nimmst und im Esszimmer isst. Okay?«
    »Okay«, sagte Kit. »Alles klar.«
    Sie stieß die Küchentür wieder auf und ging in den dahinter liegenden Raum. Die Tür fiel zu, die Alltäglichkeit des Küchenbereichs blieb hinter ihr und sofort war sie wieder von der dunklen Schönheit des Speisezimmers von Blackwood umgeben. Die bis zum Boden reichenden Fenster wurden durch eine hohe Hecke von der Außenwelt abgeschirmt. Gedämpftes, diffuses Licht fiel durch die Blätter. Der runde Tisch war auf Hochglanz poliert und der Kristalllüster hing stumm und blass darüber.
    Der Raum war so leer, so völlig starr und stumm, dass Kit überhaupt nichts zum Bleiben reizte, sie ging sofort wieder raus in die Eingangshalle.
    Die

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