Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein dunkler Ort

Ein dunkler Ort

Titel: Ein dunkler Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
Farley wies mit einer Kopfbewegung auf das dunkelhaarige Mädchen, das darauf mit einem kleinen hochzufriedenen Lächeln reagierte. »Unsere Auswahlkriterien waren nicht auf die akademischen Leistungen beschränkt. Es gab noch andere Schwerpunkte.«
    »Was denn zum Beispiel?«, wollte Hannah wissen. »Wer unsere Eltern sind?«
    »Das kann es nicht gewesen sein«, sagte Sandy leise, die auf dem Platz rechts neben Kit saß.
    »Belassen wir es doch dabei zu sagen, dass wir euch vier für ganz besondere Mädchen halten.« Madames Augen waren wie Spiegel, die den Schein der Kerzen reflektierten. Als Kit sich vorbeugte, konnte sie darin ihr eigenes Spiegelbild zwischen den anderen Mädchen sehen. »Ihr habt genau die Eigenschaften, die Schülerinnen unserer Schule besitzen sollten. Missfällt es euch, in einer so kleinen Klasse unterrichtet zu werden?«
    »Mir gefällt die Vorstellung«, sagte Ruth auf ihre kurz angebundene, sachliche Art. »Auf diese Weise geht man individuell auf unsere Bedürfnisse ein und wir machen schneller Fortschritte. Ich bin nur aus diesem Grund hier. In meiner alten Schule hab ich mich zu Tode gelangweilt. Aber ich komme in meinem Zimmer nicht ins Internet. Ich muss meinen Computer anschließen.«
    »Wir haben keinen Internetanschluss«, teilte Professor Farley ihr mit. »Das ist einer der Nachteile dieser ländlichen Lage, aber die Landschaft und die friedliche Atmosphäre machen das mehr als wett.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass wir überhaupt keine Möglichkeit haben, ins Internet zu kommen?« Ruth schaute ihn ungläubig an. »Wenn wir nicht online gehen können, wie sollen wir dann recherchieren und uns informieren?«
    »Blackwood verfügt über eine ausgezeichnete Bibliothek«, sagte Madame. »Wir sind überzeugt von dem altmodischen Konzept, die Schüler durch das gründliche Studium von Texten Informationen beschaffen zu lassen. Zum Schreiben können die Computer benutzt werden, aber eben nur zum Schreiben. Auf vorgefertigte Zitate aus unzuverlässigen Quellen, die ausgeschnitten und eingefügt werden, verzichten wir gern. Und wir wollen ganz bestimmt nicht, dass ihr vom Lernen abgelenkt werdet, weil ihr euch in Chatrooms und sozialen Netzwerken herumtreiben müsst.«
    »Und was machen wir dann in unserer freien Zeit?« Lynda stand der blanke Horror ins Gesicht geschrieben. »Ich meine, wenn wir nicht im Unterricht sitzen, für Tests lernen und so? Ich wünschte, hier wären mehr als vier Schülerinnen. Dann könnten wir wenigstens Party machen und uns an Wochenenden mit Jungs von anderen Schulen zum Tanzen treffen.«
    »Du wirst dich nicht langweilen in Blackwood. Das kann ich dir versichern.« Madame nahm die kleine Silberglocke zur Hand und läutete. Sofort ging die Küchentür auf und Natalie kam herein.
    »Wir sind bereit für den Hauptgang«, sagte Madame.
    Kit saß Jules Duret direkt gegenüber. Wie viel mochte er mit der Auswahl der Schülerinnen zu tun gehabt haben? Sie schaute zu ihm rüber und wurde rot, als sie merkte, dass er sie musterte. Er guckte auch nicht weg, als ihre Blicke sich trafen, sondern schaute sie weiter an, als ob er versuchen würde, irgendetwas an ihr zu entdecken, das von außen nicht gleich wahrnehmbar war.
    »Meine Mutter hat recht«, sagte er langsam. »Ihr werdet euch nicht langweilen.«

FÜNF
    Es war halb eins, eine halbe Stunde nach Mitternacht, am 8. September, und Kit saß mit dem Laptop auf dem Schoß auf ihrem Bett, sie schrieb einen Brief an Tracy. Sie wusste, dass es spät war. Zu Hause hätte ihre Mutter garantiert an die Tür geklopft und besorgt gefragt: »Kit? Stimmt was nicht, Schatz? Du musst morgen früh aufstehen und solltest längst im Bett sein.«
    In Blackwood gab es keine abendlichen Anordnungen, das Licht zu löschen, und darüber war Kit froh. Sie war jetzt zwar schon eine Woche in der Schule und hatte sich eigentlich gut eingelebt, aber nachts war ihr nach wie vor mulmig zumute. Das Licht am Ende des Ganges war noch immer nicht in Ordnung. »Es ist nahezu unmöglich, einen Elektriker dazu zu bringen, bis hier rauszufahren«, hatte Madame entschuldigend erklärt. Und obwohl Kits Zimmer oft vom Mondschein erhellt wurde, wollte es ihr nicht gelingen, die merkwürdige Nervosität wegen der erdrückenden Dunkelheit auf der anderen Seite der Tür loszuwerden.
    Sie schlief nicht gut in Blackwood. Sie träumte. Sie wusste, dass sie träumte, denn wenn sie morgens aufwachte, hafteten Reste dieser Traumgefühle noch am Rand ihres

Weitere Kostenlose Bücher