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Ein dunkler Ort

Ein dunkler Ort

Titel: Ein dunkler Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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sich energisch, aber sie war sich nicht ganz sicher, ob das tatsächlich stimmte. Allzu bewusst war sie sich des Kissens an der Wange, der Decke um die Schultern. Sie wusste, dass ihr kalt war.
    Wenn ich die Augen aufmache , dachte sie, dann ist sie weg .
    Aber wird das wirklich so sein? , flüsterte eine innere Stimme. Bist du dir sicher ?

ELF
    Liebe Tracy,
    diesen Brief wirst Du ziemlich verrückt finden. Wenn Du doch hier wärst, dann könnten wir direkt mitei nander reden. Du bist immer so vernünftig, sicher würde Dir eine Antwort einfallen, aber wenn ich so drüber nachdenke, weiß ich nicht mal, was die Frage ist.
    Ich weiß nur, dass hier etwas nicht stimmt. Und zwar so was von überhaupt nicht. Manchmal schaue ich mich im Spiegel an und hab das Gefühl, ich sehe eine Fremde vor mir. Das Gesicht ist noch dasselbe, nur dünner – wir scheinen alle dünner zu werden – aber irgendwie hat es etwas Seltsames an sich. Vielleicht liegt das auch nur an den Ringen unter den Augen. Aber ich habe mich nicht nur äußerlich verändert. Wir alle verändern uns auch noch auf andere Weise. Lynda zum Beispiel: Sie geht nicht mehr in den Unterricht und verbringt den ganzen Tag in ihrem Zimmer. Sie kommt auch höchstens noch zu jeder zweiten Mahlzeit runter. Madame Duret lässt ihr dann immer ein Tablett aufs Zimmer bringen, aber wenn es wieder zurückkommt, fehlt kaum ein Happen von dem Essen darauf. Und wenn Lynda mal zu uns nach unten kommt, was immer seltener geschieht, dann sieht sie aus wie ein kleines weißes Gespenst, nur Haut und Knochen, und große, starre Augen. Ihr Blick scheint nicht auf uns gerichtet zu sein. Sie schaut durch uns hindurch oder an uns vorbei. Als ob sie etwas sehen würde, das wir anderen nicht wahrnehmen können.
    Wenn man Lynda anspricht, antwortet sie merkwürdig vage, so als wäre sie mit den Gedanken ganz woanders, und manchmal passen die Antworten nicht zu unseren Fragen. Dann wiederum gibt es Zeiten, in denen sie nicht zu wissen scheint, dass wir da sind. Es ist einfach gruselig. Gestern ist Ruth zu Madame Duret gegangen und hat vorgeschlagen, Lynda zum Arzt zu bringen.
    Aber Madame sagte nur, sie sei sicher, Lynda fehle nichts. Sie meinte, Lynda sei gerade erwacht und habe ihr Talent als Künstlerin entdeckt. Sie habe sehr hart gearbeitet, da sei es kein Wunder, dass sie müde sei. Aber sie sei auf eine gute Art müde, so wie das eben normalerweise ist, wenn man eine große Leistung vollbracht hat.
    Kann es sein, dass etwas »Gutes« einen Menschen so aussehen und handeln lässt wie Liynda zurzeit?
    Und dann ist da Sandy. Sie verändert sich auch. Sie träumt viel und hat mir erzählt, dass sie immer denselben Traum hat: den von der Frau, die in ihr Zimmer kommt und sich neben ihr Bett stellt. Zuerst hat ihr das Angst gemacht, aber irgendwie scheint das jetzt nicht mehr der Fall zu sein. Sie sagt, die Frau heiße Ellis, und sie spricht von ihr wie von einer realen Person.
    Tracy, werde ich verrückt? Denn ich träume auch. In meinen Träumen sitze ich am Klavier und spiele, und zwar nicht so schlecht wie sonst, sondern richtig gut, und vor mir liegen niemals Noten. Am Anfang war die Musik immer sanft und schön, und es war ein glücklicher Traum, aber so ist das nicht mehr. Jetzt rast die Musik mit einer solchen Kraft durch mich hindurch, dass es mir körperliche Schmerzen bereitet. Wenn ich aufwache, bin ich müde. Meine Arme und Hände tun weh, als ob ich wirklich stundenlang gespielt hätte.
    Ich habe einige Hintergrundinformationen über Blackwood herausbekommen. Sie gefallen mir nicht, absolut nicht. Tracy, ich will hier nicht länger bleiben. Es ist mir ganz egal, ob ich mir das alles nur einbilde. Ich will nicht hier sein! Ich habe an Mom geschrieben und gefragt, ob ich bei Dir und Deiner Familie bleiben kann, bis sie und Dan nach Hause kommen. Wären Deine Eltern damit einverstanden? Das hoffe ich.
    Schreib mir, es ist schon so lange her, seit ich von Dir gehört habe. Auf meine Fragen hast Du nie geantwortet, und Dich auch nie irgendwie zu den Dingen geäußert, über die ich geschrieben habe. Liegt das daran, dass es so nervig ist, Briefe mit der Post zu schicken? Oder sind alle meine Briefe an Dich in der Post verloren gegangen? Vielleicht werden sie ja auch nie abgeschickt. Professor Farley fährt jeden Tag ins Dorf und bringt unsere Briefe zur Post. Er muss sie doch abschicken, oder? Also, es wäre doch illegal, wenn er es nicht tun würde, meinst Du nicht auch? Ich bin

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